Leitsatz (amtlich)
Der Träger eines Gymnasiums ist nicht verpflichtet, ein ca. 44 kg schweres, 1,90 Meter hohes, 1,14 Meter breites und 4 cm tiefes Gitter, das im Winkel von 70 ° auf einem Lüftungsschacht aufliegt, durch Verschraubung oder Verschweißung vor einem Abheben zu sichern. Er muss nicht damit rechnen, dass Kinder und Jugendliche mutwillig das Gitter aus dem Rahmen heben, um in den Lüftungsschacht einzusteigen.
Normenkette
BGB §§ 254, 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 08.08.2007; Aktenzeichen 23 O 8123/07) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG München I vom 8.8.2007 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche wegen eines Unfalles geltend.
Der Beklagte ist Träger des Gymnasiums N.
Auf dem Schulgelände des Gymnasiums N., verläuft ein Weg, der zum Sportplatz der Schule und zu mehreren Schuleingängen führt. Insoweit wird hinsichtlich der vorliegenden Lichtbilder auf die Anlage K 1 zur Klageschrift verwiesen. Dieser Weg ist auch außerhalb der Schulzeiten von öffentlichem Verkehrsgrund aus zu erreichen. Es existiert kein Hinweisschild, dass das Betreten des Geländes verboten wäre. Auf der Mitte des Weges befindet sich ein Lüftungsschacht. Es handelt sich um eine Betonkonstruktion mit einer Höhe von ca. 220 cm, einer Breite von 225 cm und einer Länge von ca. 9 Metern. Dieser Schacht umfasst zwei von einander getrennte Lüftungseinrichtungen. Diese Lüftungseinrichtungen sind jeweils mit drei massiven Metallgittern verblendet. Insoweit wird auf die als Anlage K 4 zur Klageschrift vorgelegten Lichtbilder verwiesen. Die Metallgitter sind an der Nordseite des Lüftungsschachtes angebracht. Sie liegen schräg in einem Winkel von ca. 70 Grad in einem Metallrahmen. Jedes einzelne Gitter ist 1,90 Meter hoch, 1,14 Meter breit und 4 cm stark. Die Seite des Lüftungsschachts, an der die Gitter angebracht sind, ist Gebüsch und Strauchwerk zugewandt.
Der am 5.8.1992 geborene Kläger und sein Freund J.R. hielten sich am Sonntag, den 28.8.2005 gegen 18.00 Uhr mit ihren Fahrrädern auf dem Schulgelände auf. Sie kletterten zunächst auf den Lüftungsschacht. Infolge von Umständen, deren Details streitig sind, stürzte der Kläger zusammen mit dem Metallgitter in den mindestens 3,70 tiefen Lüftungsschacht.
Der Kläger zog sich u.a. Frakturen am linken Oberschenkel, an beiden Handgelenken sowie am Schlüsselbein zu. Hinsichtlich der Einzelheiten der Verletzungen, ihrer Behandlung und der Beschwerden des Klägers wird auf die Seiten 5 bis 8 der Klageschrift verwiesen. Nachdem die Haftpflichtversicherung der Beklagten mit Schreiben vom 27.2.2007 jegliche Schadensersatzansprüche zurückgewiesen hatte, reichte der Kläger mit Schriftsatz vom 13.4.2007 vor dem LG München I Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Schadensersatzfeststellung ein.
Der Kläger trug in erster Instanz vor:
Der Kläger habe aus Neugier und/oder Abenteuerlust in den Lüftungsschacht klettern wollen. Der Kläger und sein Freund hätten bemerkt, dass zwar das rechte und das linke Lüftungsgitter mit schweren Schrauben gesichert gewesen seien, das mittlere Lüftungsgitter allerdings weder verlötet noch verschraubt gewesen sei. Sie hätten daher versucht, das Gitter abzuheben. Es habe sich jedoch lediglich ca. 4 cm aus dem Rahmen bewegen lassen. Anschließend habe der Kläger alleine versucht, das Gitter abzuheben. Hierbei habe es sich aus dem Rahmen gelöst und den Kläger in den ca. 4 Meter tiefen Lüftungsschacht gerissen. Der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, da er das Gitter nicht gegen Abheben, Abrutschen oder Absturz gesichert habe. Es sei nicht richtig, dass der Hausmeister mit der Kontrolle der Verschraubung des Gitters beauftragt gewesen sei. In Anbetracht der Verletzungen sei ein Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 27.000 EUR angemessen.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen angemessenen Schmerzensgeldbetrag von nicht weniger als 27.000 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 28.8.2005 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfall vom 28.8.2005 auf dem Gelände des Gymnasiums N. zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige übergehen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trug vor:
Der behauptete Unfallhergang werde zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten, ebenso, dass das Gitter nicht verschraubt gewesen sei. Eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung könne dem Beklagten nicht zur Last gelegt werden. Selbst wenn man eine Haftung des Beklagten unterstelle, würde diese wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens des Klägers entfallen. Das geltend gemachte Schmerzensgeld sei weit übersetzt.
Das LG wies die...