Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeldanspruch nach Kfz-Unfall: Bemessung bei Dauerschaden in Form einer Schmerzverarbeitungsstörung; schmerzensgeldmindernde Berücksichtigung eines zuvor bestehenden Knorpelschadens
Normenkette
BGB § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers vom 18.1.2013 wird das Endurteil des LG München II vom 12.12.2012 (Az. 11 O 6727/08) in Nr. I. III. und IV. abgeändert wie folgt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, über Ziff. I. des Endurteils hinaus an den Kläger weitere 6.000 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.2.2008 zu bezahlen.
III. Ziff. III. gerät in Wegfall.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Anschlussberufung der Beklagten vom 26.3.2013 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
Entscheidungsgründe
B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, die Anschlussberufung war dagegen zurückzuweisen.
I. Das LG hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf weiteres Schmerzensgeld verneint.
1. Der Senat teilt die Würdigung des LG, dass die geklagten Beschwerden und Schmerzen bis Februar 2009 ihre Ursache in den beim Unfall erlittenen körperlichen Verletzungen haben und sich von da an, mitausgelöst durch den Unfall, eine noch heute anhaltende somatoforme Schmerzstörung entwickelte.
a) Die psychiatrische Begutachtung in 1. Instanz hat, wie sich insbesondere aus der Beantwortung der Fragen im Ergänzungsgutachten vom 11.8.2011 (Bl. 156/158 d.A.) ergibt, eindeutig ergeben, dass der Kläger über den Februar 2009 hinaus an einer chronischen Schmerzstörung leidet, deren Entstehung sehr wahrscheinlich durch den Unfall und die erlittenen Verletzungen mitausgelöst wurde. Ergebnis des Gutachtens war gerade nicht eine nur bis 2009 anhaltende Schmerzverarbeitungsstörung (vgl. auch die Zusammenfassung zum Gutachten vom 28.2.2011, S. 14 = Bl. 140 d.A.). Die Schmerzen im Bereich der Leiste waren bereits Gegenstand der Begutachtung in 1. Instanz und insbesondere anlässlich der Untersuchung im August 2012 kam der orthopädische Sachverständige auch zu dem Ergebnis, dass im Adduktorenbereich eine unfallbedingte Verletzung nachweisbar ist. Das LG hat dem Kläger die von diesem im Bereich rechten Seite von Leiste, Becken und unterer Rücken unter Einschluss des Iliosakralgelenks geschilderten Schmerzen und damit verbundenen Einschränkungen geglaubt, der Senat hat sich angesichts der im Termin vom 3.5.2013 erfolgten Anhörung des Klägers ebenfalls davon überzeugt, dass der Kläger die Schmerzen wie von ihm geschildert verspürte und weiterhin verspürt. Der Kläger hat insbesondere angegeben, wie sich die in der Zeit nach dem Unfall im Bereich der Leiste vorhandenen Schmerzen ausweiteten und zum jetzigen Beschwerdebild führten, während die Anfangs vorhandenen schmerzhaften Verspannungen an Schulter und Muskeln sich ebenso zurückbildeten wie Kopfschmerzen.
b) Dass berufliche und private Stressfaktoren wie auch eine anlagebedingte Vulnerabilität ebenfalls mitauslösende und/aufrechterhaltende Faktoren sind, hindert den Zurechnungszusammenhang nicht. Zudem hat der Kläger glaubhaft angegeben, dass ihm die Ende 2009 erfolgte Trennung von seiner Lebensgefährtin, mit der er eine Tochter hat, zwar zunächst emotional sehr weh getan hat, die Auseinandersetzung aber auf einer sachlichen Ebene ohne gerichtliche Auseinandersetzungen erfolgte und er zwischenzeitlich beide regelmäßig sieht und in gutem Kontakt steht; nachvollziehbar schilderte der Kläger als weiteren Stressfaktor auch, wie der Unfall und dessen Folgen und auch die Organisation und Vorbereitung des streitgegenständlichen Prozesses sein Privatleben negativ beeinflussten.
c) Eine relevante Vorschädigung, die schmerzensgeldmindernd zu berücksichtigen wäre, besteht beim Kläger nicht. Der bereits im Jahr 2007 festgestellte retropatellare Knorpelschaden im Knie hat sich durch den Unfall objektiv nicht verändert und der Kläger dazu angegeben, dass er vor dem Unfall über ein Knacken hinaus lediglich bei anstrengenden Bergtouren Schmerzen verspürte, während das bei der orthopädischen Begutachtung angegebene Schmerzausmaß mit dem vorgefundenen Befund nicht in Einklang zu bringen ist. Insbesondere aber ist das ursprüngliche Beschwerdebild in seiner Auswirkung völlig in den Hintergrund getreten und der für die Höhe des Schmerzensgeldes ganz entscheidende jet...