Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz nach einem Unfall: Bemessung eines Schmerzensgeldes
Leitsatz (amtlich)
Erleidet der Geschädigte eine schwere Zerrung und Prellung des Thorax, der Lenden- und Brustwirbelsäule und des linken Schulterblattes und werden durch den Unfall Beschwerden im Bereich einer degenerativ vorgeschädigten Lendenwirbelsäule hinsichtlich einer bereits vorhandenen Vorwölbung der Bandscheibe temporär aktiviert und deshalb Schmerzen ausgelöst, ist ein Schmerzensgeld von insgesamt 5.000,00 EUR angemessen. (Rn. 6) (Rn. 8) (Rn. 11)
Normenkette
BGB § 253 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 22.09.2020; Aktenzeichen 17 O 7693/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers vom 11.11.2020 wird das Endurteil des LG München I vom 22.09.2020 (Az. 17 O 7693/15) in Ziff. I Satz 1 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2014 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
3. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 76 % und die Beklagten samtverbindlich 24 %; von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 71 % und die Beklagten samtverbindlich 29 %.
5. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
7. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird in Abänderung des Beschlusses vom 08.09.2020 auf 14.146,71 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).
B. I. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache zumindest teilweise Erfolg. Die Anschlussberufung der Beklagten war hingegen zurückzuweisen.
1. Eine Unterbrechung des Verfahren nach § 239 I ZPO trat durch den Tod des Beklagten zu 2) infolge der anwaltlichen Vertretung nach § 78 I 1 ZPO nicht ein, § 246 I 1. Hs. ZPO. Ohne Relevanz ist im vorliegenden Fall auch, dass der genaue Sterbezeitpunkt des Beklagten zu 2) nicht bekannt ist, da im Verhältnis zwischen der ersten Instanz und der Berufungsinstanz wegen der erweiterten Vertretungsbefugnisse des § 78 I ZPO, wonach die Vertretung vor einem Oberlandesgericht keine besondere Zulassung erfordert, eine Vertretung durch den erstinstanzlichen Anwalt im Berufungsverfahren angenommen werden kann, wenn eine entsprechende Vollmacht vorliegt (vgl. MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 239 Rn. 5). Dem Senat war es auch nicht verwehrt, eine Entscheidung durch Endurteil herbeizuführen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann (sogar) in den Fällen der Verfahrensunterbrechung bei subjektiver oder objektiver Klagehäufung oder grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes ein Teilurteil dann ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist (BGH MDR 2007, 539 mit Verweis auf BGH v. 26.4.1989 - IVb ZR 48/88, BGHZ 107, 236, 242 = MDR 1989, 895; Urt. v. 20.7.2001 - V ZR 170/00, MDR 2001, 1433 = NJW 2002, 302; Urt. v. 5.6.2002 - XII ZR 194/00, MDR 2002, 1068; Urt. v. 25.11.2003 - VI ZR 8/03, MDR 2004, 589 [LS] = NJW 2004, 1452). Im streitgegenständlichen Fall ist aber - wie aufgezeigt - durch den Tod des Beklagten zu 2) schon keine Verfahrensunterbrechung eingetreten, auch besteht im Verhältnis zwischen dem Haftpflichtversicherer und dem Versicherungsnehmer nicht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen. Zu beachten ist insoweit, dass der Versicherungsnehmer nach E.1.2.4.AKB im Innenverhältnis dem Versicherer die Führung des Rechtsstreits zu überlassen hat (vgl. Stiefel/Meier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. 2017, AKB E. 1 Rn. 208). Eine Verletzung des durch Art. 103 I GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör ist bei den kraft Gesetzes (§ 1922 BGB) an die Stelle des verstorbenen Beklagten zu 2) tretenden Erben auch nicht zu besorgen, da zum Einen ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung im konkreten Fall nicht eröffnet ist (§ 544 II Nr. 1 ZPO) und zum Anderen der Versicherungsnehmer im Falle einer verurteilenden Entscheidung - unabhängig von deren Höhe - grundsätzlich mit einer Höherstufung rechnen muss.
2. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg:
a) Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss (BGH VersR 1976, 440; 1980, 975; 1988, 299; OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]; Senat, Urt. v. 01.07.2005 - 10 U ...