Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 20.08.2008; Aktenzeichen 9 O 22406/97)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 30.05.2012; Aktenzeichen 1 BvR 2292/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 2 wird das Urteil des Landgerichts München I vom 20.8.2008, Az. 9 O 22406/97 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

  1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus der Fertigung und Weitergabe des fachpsychiatrischen Attestes auf Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus vom 07.12.1994 nebst Ergänzung vom 12.12.1994 entstanden ist und noch entstehen wird.
  2. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 15.000,00 nebst 4 Prozentpunkten Zinsen hieraus seit 22.1.1998 zu zahlen.
  3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Die Anschlussberufung des Beklagten zu 1 wird zurückgewiesen.

IV. Der Kläger trägt von den Gerichtskosten beider Instanzen 65 % und der Beklagte zu 1 35 %. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 und von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 65 %. Der Beklagte zu 1 trägt 35 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Beklagte zu 1 ist Direktor der … M., dessen Träger der Beklagte zu 2 ist. Gleichzeitig war der Beklagte zu 1 Beamter des Beklagten zu 2.

Der Kläger betrieb in der Innenstadt von M. eine Teppichgalerie und handelte international mit Teppichen.

Am 11.11.1994 eröffnete der Kläger in seiner Galerie eine Ausstellung antiker Tigerteppiche und befasste sich im Rahmen eines Vortrages mit Theorien zu der Entschlüsselung von Teppichmustern. Unter den Gästen befand sich ein emeritierter Professor für Psychiatrie, der die Ehefrau des Klägers auf psychische Auffälligkeiten ihres Ehemanns ansprach. Auf Bitten der Ehefrau des Klägers stellte der Professor zwischen ihr und dem Beklagten zu 1 Kontakt her. Der Beklagte zu 1 begab sich am 28.11.1994 in die Galerie des Klägers und beobachtete den Kläger.

Der Beklagte zu 1 fertigte auf Grundlage seiner Beobachtungen und von der Ehefrau des Klägers erhaltener Informationen am 07.12.1994 ein „Fachpsychiatrisches Attest auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Vorlage bei der zuständigen Polizeibehörde” (Anlage K 1 a). In dem Attest stufte der Beklagte zu 1 den Kläger als psychisch krank sowie selbst-/fremdgefährlich ein und vertrat die Auffassung, dass eine sofortige Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik erforderlich sei.

Das Attest wurde am 7.12.1994 in die Geschäftsräume des Klägers verbracht und von dessen Ehefrau in Empfang genommen.

Am 08.12.1994 suchte der Kläger den Beklagten zu 1 in der Klinik auf. Daraufhin ergänzte der Beklagte zu 1 sein Attest am 12.12.1994 und diagnostizierte ein maniformes Syndrom (Anlage K 1 b).

In der Nacht vom 11.12.1994 auf den 12.12.1994 verbrachte der Kläger den gesamten Warenbestand der Galerie, u.a. an die H.bank zur Sicherung der Kreditlinie übereignete Teppiche und in dem Auktionshaus R. ersteigerte, aber noch nicht bezahlte Teppiche, an einen anderen Ort und war anschließend unauffindbar.

Am 12.12.1994 erfuhr die H.bank von der Entfernung des Sicherungsgutes und stellte daraufhin die Kreditlinie auf Null. Die Inhaber des Auktionshauses R. erstatteten am 12.12.1994 in München gegen den Kläger wegen Unterschlagung Anzeige. Die H. Bank schloss sich am 14.12.1994 der Anzeige an.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft München I erließ das Amtsgericht München am 14.12.1994 Haftbefehl gegen den Kläger wegen des dringenden Tatverdachts einer Unterschlagung.

Am 15.12.1994 wurde der Kläger festgenommen und in die JVA S. überstellt, wo ihm am 16.12.1994 der Haftbefehl eröffnet wurde. Der zuständige Ermittlungsrichter ordnete die Erstattung eines Kurzgutachtens zu der Frage an, ob die Voraussetzung einer einstweiligen Unterbringung vorliege. Ein Oberarzt der Klinik des Beklagten zu 2 hatte zuvor per Fax das Attest vom 7.12.1994 an den Ermittlungsrichter übersandt.

Nachdem der zuständige Anstaltarzt die Voraussetzungen für eine einstweilige Unterbringung für nicht gegeben erachtete, wurde der Haftbefehl gegen den Kläger am 21.12.1994 ohne jegliche Auflagen aufgehoben.

Der Kläger reichte mit Schriftsatz vom 5.12.1997 die streitgegenständliche Klage ein.

Der Kläger hat vor dem Landgericht vorgetragen:

Ihm sei durch seine Ehefrau heimlich Diazepam verabreicht worden. Der Beklagte zu 1 habe es schuldhaft unterlassen, den Kläger zu untersuchen, so dass er die Vergiftung nicht habe feststellen können. ...

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