Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug, Rechtsanwaltskosten, Fahrzeug, Berufung, Software, Kenntnis, Herausgabe, Schadensersatzanspruch, Zahlung, Erstattung, Anspruch, Darlegungslast, Beweislast, Verwendung, Zug um Zug, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, kein Anspruch
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Urteil vom 04.08.2020; Aktenzeichen 73 O 3483/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 04.08.2020, Az. 73 O 3483/19, teilweise abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:
1.1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.175,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 23.230,61 EUR vom 03.03.2020 bis zum 15.06.2020, aus 21.595,06 EUR vom 16.06.2020 bis 29.05.2022 und aus 20.175,91 EUR seit dem 30.05.2022 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs ... mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen.
1.2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
1.3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klagepartei 30% und die Beklagte 70% zu tragen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klagepartei 22% und die Beklagte 78% zu tragen.
4. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt - soweit es aufrechterhalten wurde - sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die die Klagepartei gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht.
Die Klagepartei erwarb am 17.02.2015 zu einem Preis von 31.570,00 EUR brutto von einem Dritten ein Neufahrzeug ..., 103 kW (140 PS). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor EA189 ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die Beklagte ist die Herstellerin des Pkws. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 0 km, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 16.06.2020 54.202 km und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 30.05.2022 72.183 km.
Zur Abgasreinigung wird im streitgegenständlichen Fahrzeug die Abgasrückführung eingesetzt. Das Fahrzeug ist betroffen von einem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) mit der Begründung "unzulässige Abschalteinrichtung". Die im Zusammenhang mit dem Motor (zunächst) verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Die Klagepartei ließ das vom Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) freigegebene und zur weiteren Nutzbarkeit des Fahrzeugs erforderliche Softwareupdate bereits aufspielen.
Vorgerichtlich forderte die Klagepartei mit anwaltlichem Schreiben vom 23.12.2019 die vollständige Kaufpreiserstattung abzüglich einer Nutzungsentschädigung ohne Benennung von Kilometerleistungen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie die Zahlung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung unter Fristsetzung bis zum 28.12.2019.
Mit Klage vom 30.12.2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag und der Beklagten zugestellt am 02.03.2020 (nachdem die Gerichtskostenanforderung vom 12.02.2020 den Klägervertretern am 13.02.2020 zugestellt und daraufhin am 17.02.2020 der Vorschuss einbezahlt worden war), forderte die Klagepartei zuletzt die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer bezifferten Nutzungsentschädigung nebst Delikts- und Verzugszinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung von Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs und die Verurteilung zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Rechtshängigkeitszinsen.
Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.08.2020 überwiegend zugesprochen; es hat verurteilt zur Zahlung von 25.866,14 EUR nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs und zur Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 EUR. Au...