Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderung des Gerichtskartenvorschusses
Leitsatz (amtlich)
1. Sichern die Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Gerichts in einer Situation hoher Arbeitsbelastung auf telefonische Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers mehrfach die alsbaldige Übermittlung der Anforderung des Gerichtskostenvorschusses zu, so fehlt jeglicher Anhalt dafür, dass der - zunächst hierauf vertrauende - Prozessbevollmächtigte seine Obliegenheiten verletzt haben könnte.
Unterbleibt die wiederholt zugesagte Anforderung der Gerichtskosten gleichwohl, so ist die Zustellung als "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO anzusehen, wenn der Kläger den von ihm selbst berechneten Gerichtskostenvorschuss alsbald (hier: etwa sieben Wochen nach Klageeinreichung) einbezahlt und die Klage nach Ablauf eines weiteren Monats zugestellt wird.
2. Die den Anspruch begründenden Umstände (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) können auch rechtlicher Art sein, wenn die Rechtslage unübersichtlich und zweifelhaft ist, weil der Klageanspruch auf der Grundlage eines blankettartigen Strafgesetzes (hier: § 400 Abs 1 AktG) hergeleitet wird, dessen Reichweite in der Rechtsprechung noch weitgehend ungeklärt ist.
Zureichenden rechtlichen Anhalt erlangt der Geschädigte in einem solchen Fall frühestens mit der Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 203 StPO, die voraussetzt, dass auf der Grundlage der vorangegangenen Ermittlungen und nach rechtlicher Vorprüfung eine spätere Verurteilung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Normenkette
ZPO § 167; BGB § 199 Abs. 1, § 823 Abs. 2; AktG § 400
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 15.05.2007; Aktenzeichen 20 O 25582/02) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des LG München I vom 15.5.2007 samt dem Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG München I zurückverwiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz aufgrund einer fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung.
Die Beklagte zu 1) befasste sich international mit dem Handel von Rechten und der Vermarktung von Lizenzen. Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 1) in Anspruch genommen.
Die Beklagte zu 1) gab, noch unter der Bezeichnung E. AG firmierend, am 22 3.2000 in einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt, dass sie sich mittelbar i.H.v. 50 % an der S. beteiligen werde, in welcher alle Aktivitäten und Rechte des Formel 1-Rennsports gebündelt seien. Die Kläger bzw. deren Zedenten erwarben im Zeitraum vom 22.3.2000-2.8.2000 Aktien der Beklagten 1), die sie teilweise zwischenzeitlich weiter unter Einkaufspreis verkauften, teilweise noch halten.
Die Kläger behaupten u.a., dass die Beklagte zu 1) in der Ad-hoc-Mitteilung vom 22.3.2000) sämtliche negativen Aspekte des mitgeteilten Geschäfts verschwiegen habe, insb. die vertraglich vereinbarte Put-Option, die die Beklagte dem Risiko ausgesetzt habe, 996 Mio. US-$ für weitere 25 % der Anteile an der S. bezahlen zu müssen. Dies sei ursächlich für den Kaufentschluss der Kläger bzw. ihrer Zedenten gewesen. Die Beklagten hafteten daher aus § 826 BGB, § 823 Abs 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. ... AktG und § 264 StGB.
Die Beklagten und der Nebenintervenient halten die Ad-hoc-Mitteilung für zutreffend, bestreiten die Kausalität für die Anlageentscheidungen der Kläger bzw. deren Zedenten und berufen sich auf Verjährung.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Ansprüche der Kläger gegen die Beklagten seien gem. § 852 BGB a.F. und Art. 229 § 6 EGBGB verjährt. Offen bleiben könne dabei, ob die Verjährung bereits ab Anklageerhebung gegen die Beklagten zu 2) und 3) mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft bei dem LG München I vom 16.10.2001 zu laufen begonnen habe. Jedenfalls hätten die anwaltlichen Vertreter der Kläger im Januar 2002 Einsicht in die Strafakten erhalten und hierdurch die für die Beurteilung von Schadensersatzansprüchen erforderliche Tatsachenkenntnis erlangt. Die dreijährige Verjährungsfrist sei daher am 31.12.2005 abgelaufen.
Die an diesem Tage beim LG München I eingereichte Klage sei nicht "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO (§ 270 Abs. 3 ZPO a.F.) zugestellt worden. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger hätte den Vorschuss der mit 145.510,77 EUR zutreffend bewerteten Klage nämlich erst am 21.2.2006 einbezahlt. Das Urteil des BGH vom 29.6.1993 (NJW 1993, 2811 ff.) stehe dieser Bewertung nicht entgegen, da der dieser Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt anders gelagert gewesen sei und der Leitsatz des BGH-Urteils nach Ansicht der Kammer zu weit gefasst sei. Die Weite des Leitsatzes verstoße nämlich gegen die einhellige Auffassung in Literatur und Rechtssprechung, wonach die Zustellung in einem nicht allzu erheblichen Abstand vom Fristablauf zu erfolgen habe. Eine dreimalige Nachfrage der Prozessbevollmächtigten der Kläger bei der Geschäftsstelle der Zivilkammer vermöge daran nichts zu ändern.
Ge...