Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung des Barwerts der Altersversorgung auf Ausgleichsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Der vom Versicherungsunternehmen überwiegend mitfinanzierte Barwert der Altersversorgung kann ungeachtet der Unwirksamkeit einer Regelung in den VVW-Bestimmungen (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2003, 290) auf den Ausgleichsanspruch angerechnet werden, wenn und soweit die ungekürzte Zuerkennung des Ausgleichsanspruchs nach den Vorstellungen der Parteien sowie ihrem Verhalten während des Vertreterverhältnisses und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unbillig wäre (st. Rspr., BGH NJW 2003, 1244; NJW 2003, 3351). Dies beurteilt sich nach § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB (vgl. auch Entscheidung des OLG München vom 21.12.2005, VersR 2006, 1124).
2. Es bestehen keine überzeugenden Gründe von der in ständiger Rechtsprechung (seit BGH NJW 1966, 1962) hierfür herangezogenen Annahme einer "funktionellen Verwandtschaft" zwischen Altersversorgung und Ausgleichsanspruch abzurücken. Sinn und Zweck der unmittelbar nach Ausscheiden dem Versicherungsvertreter gewährten Altersversorgung ist die finanzielle Absicherung seines Lebensunterhalts. Diesem Zweck dient auch der Ausgleichsanspruch. Der Begriff der "funktionellen Verwandtschaft" setzt keine Identität oder Deckungsgleichheit der Ansprüche voraus, die gleichartige Zielrichtung ist ausreichend.
3. Eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigt auch die Möglichkeit des Widerrufs bzw. teilweisen Widerrufs der Versorgungszusage in Ziff. 8.1. der VVW-Bestimmungen nicht, da in diesen Fällen der Ausgleichsanspruch gem. Ziff. 8.2. der VVW -Bestimmungen in vollem Umfang verbleibt.
4. Hat der Prinzipal einen überwiegenden Anteil an der Finanzierung der Altersversorgung übernommen, bestehen keine Zweifel daran, dass eine Doppelbelastung des Prinzipals eintreten würde, wenn er - wie vom Versicherungsvertreter beantragt - neben der auf seiner Leistung beruhenden Altersversorgung auch noch den Ausgleichsanspruch in voller Höhe leisten müsste.
Normenkette
HGB § 89b Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 08.12.2008; Aktenzeichen 14 HKO 24599/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehaltsurteil des LG München I vom 8.12.2008, Az: 14 HK O 24599/07, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Anrechnung der von der Beklagten gewährten Altersversorgung auf den Anspruch des Klägers auf Versicherungsvertreterausgleich.
Von 1963 bis 1971 war der am geborene Kläger zunächst als Angestellter, ab 1.7.1971 für die Beklagte aufgrund Vertretungsvertrags vom 25.6.1971 als selbständiger Versicherungsvertreter (Generalvertreter) tätig. Wegen Erreichen des 65. Lebensjahrs endete die Tätigkeit des Klägers für die Beklagte am 31.12.2004. Seit dem 1.1.2005 erhält er aus der -Versorgungskasse, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ( ), bei der der Kläger seit 1963 Mitglied war und in die sowohl er als auch die Beklagte bzw. deren Konzernmutter zugunsten des Klägers Beiträge leisteten, eine monatliche Rente i.H.v. derzeit 1.506,10 EUR. Darüber hinaus bezieht der Kläger vom Vertreterversorgungswerk ( ), einer rechtlich unselbständigen Untergliederung der Beklagten, eine monatliche Rente von derzeit 3.051,90 EUR.
Mit Schreiben vom 28.7.1971 hatte die Beklagte dem Kläger eine Versorgungszusage abgegeben, in dem sie bezüglich der Einzelheiten auf die Versorgungsbestimmungen 1966 verwies (Anlagen K 3, K 4). Am 1.12.1988 teilte die Beklagte dem Kläger den Stand der erreichten Alterssicherung mit und erklärte zugleich, dass diese Leistungen nach Maßgabe der beigefügten "Bestimmungen für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der hauptberuflichen Vertreter, die ausschließlich für die Gesellschaften tätig sind" (VVW-Bestimmungen) gewährt würden. Ziff. 10. der VVW-Bestimmungen regelt die Anrechnung des Barwerts der Rente bzw. unverfallbaren Rentenanwartschaft auf den Ausgleichsanspruch, Ziff. 8. enthält Regelungen zum Widerrufsvorbehalt betreffend der Versorgungszusage. Zu den einzelnen Bestimmungen wird auf Anlage K 5 verwiesen.
Mit Schreiben vom 15.11.2005 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Berechnungen des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB vorzunehmen (Anlage K 1). Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 19.12.2005 mit, dass sich sein rechnerischer Ausgleichsanspruch auf 300.723,62 EUR beläuft, lehnte jedoch eine Auszahlung mit der Begründung ab, dass auf diesen Betrag der Barwert der dem Kläger gewährten Alterversorgung i.H.v. 532.890 EUR anzurechnen sei.
Der Kläger macht mit der Klage einen Anspruch auf Versicherungsvertreterausgleich in der von der Beklagten errechneten Höhe geltend. ...