Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit von Provisionskürzungen für Versicherungsvertreter
Leitsatz (amtlich)
1. Die von einer Versicherung, die ihren Versicherungsvertretern für einen bisher allein angebotenen Kfz-Tarif eine vertraglich vereinbarte Provision i.H.v. 10 % zahlte, im Zuge der Einführung eines zusätzlichen neuen Kfz-Tarifs, nämlich des sog. Kompakt-Tarifs, vorgenommene Herabsetzung der Provisionen auf 6 % ist unwirksam.
2. Bei dem Kompakt-Tarif handelt es sich nicht um ein neues Vertriebsprodukt, für das die Versicherung aufgrund ihrer unternehmerischen Dispositionsbefugnis neue Provisionsregelungen hätte festlegen dürfen, sondern lediglich um einen neuen Tarif eines bereits bestehenden Versicherungsprodukts.
3. Zur Herabsetzung des Provisionssatzes auf der Grundlage einer formularmäßigen Änderungsvorbehaltsklausel bei Einführung neuer Tarife in den Allgemeinen Provisionsbestimmungen ist die Versicherung nicht berechtigt, da die Klausel gegen den Rechtsgedanken des § 308 Nr. 4 verstößt, die Versicherungsvertreter unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1, 2 BGB und deshalb unwirksam ist.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 25.06.2007; Aktenzeichen 10 HK O 1977/07) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 25.6.2007, 10 HK O 1977/07 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger begehren als Versicherungsvertreter der Beklagten Feststellung der Unwirksamkeit einer von der Beklagten vorgenommenen Provisionsherabsetzung für den ab dem Jahr 2005 eingeführten "Kompakt-Tarif" bei Kfz-Versicherungen, der Kläger zu 1) beantragt darüber hinaus auch Provisionsnachzahlungen.
Beide Kläger sind für die Beklagte und deren Konzerngesellschaften bzw. deren Rechtsvorgängerin seit vielen Jahren als Versicherungsvertreter im Ausschließlichkeitsvertrieb tätig; der Kläger zu 1) seit 1988 (vgl. Vertretungsvertrag vom 25.1.1988, Anlage K 1), der Kläger zu 2) seit 1993 (vgl. Vertretungsvertrag vom 25.1.1993, Anlage K 2; geändert durch Vereinbarung vom Mai/Juni 1996, Anlage B 2).
Den Verträgen jeweils beigefügt war die sog. Provisionstabelle der Beklagten, die für eine Vielzahl von Vertragspartnern der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zur Verwendung kam. In deren Anlage B "Provisionssätze" ist für die Vermittlung von Kraftfahrt-Versicherungen ein Provisionssatz von 10 % bezüglich der dort näher ausgeführten, mit Branchenschlüsselzahlen wiedergegebenen Risiken vereinbart worden. Die Provisionen werden auf Grundlage der Versicherungsprämien berechnet.
Die Vertretungsverträge zwischen den Parteien enthalten, ebenso wie zahlreiche andere Vertreterverträge, in den "Allgemeinen Provisionsbestimmungen" der Provisionstabelle unter Ziffer XIV. (Anlage K 1) bzw. Ziff. 4.4. (Anlage B 1) folgende Klausel:
"Die nachstehenden Provisionen gelten für die gegenwärtig gültigen Tarife. Die Gesellschaften behalten sich die Neufestsetzung vor:
I. bei Einführung neuer Tarife, ..."
Mit Schreiben vom 23.8.2005 (Anlage K 4) übersandte die Beklagte ihren Versicherungsvertretern eine "Verbindliche Mitteilung" betreffend "Neue Tarife für das Neu- und Ersatzgeschäft" für die Branche und das Sachgebiet "Kraft" (Anlage K 4). Ausweislich der S. 1 der Mitteilung sollte diese "über Leistungsverbesserungen des bisherigen Kraft-Tarifs sowie über die Einführung neuer Kraft-Tarife und weitere Änderungen in der Kraftfahrtversicherung" informieren. Die Versicherungsvertreter wurden durch das Schreiben darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie "ab dem 1.9.2005 bei Ihren Pkw-Kunden (Privatkunden und Einzelfahrzeug-Kunden Firmen) im Neu- und Ersatzgeschäft zwischen zwei Tarifen, die in Preis und Leistung differieren," wählen können. Dabei wurde der bis dahin allein angebotene, im Vorjahr eingeführte Auto-Tarif "mit zusätzlichen Leistungen versehen" und künftig als "Optimal-Tarif" bezeichnet. Des Weiteren erfolgte eine Mitteilung über die Einführung des neuen "Kompakt-Tarifs", diese lautete wie folgt:
"Ab dem 1.9.2005 wird der neue Kompakt-Tarif eingeführt. Mit diesem Tarif sprechen wir preissensible Kunden an, die zugunsten eines niedrigen Beitrags auf Versicherungsmehrleistungen verzichten ..."
Zugleich wurden die Versicherungsvertreter zum Thema Provision wie folgt informiert:
"Für die Vermittlung des Optimal-Tarifs gelten die mit Ihnen vereinbarten Provisionssätze für den bisherigen Kraft-Tarif unverändert weiter ... Für die Vermittlung des neuen Kompakt-Tarifs erhalten Sie eine ggü. dem Optimal-Tarif reduzierte Provision und Bewertung. Die Gesellschaft macht diesbezüglich von ihrem vertraglichen Änderungsvorbehalt für die Neufestsetzung von Provisionssätzen bei der Einführung von neuen Tarifen Gebrauch. Für die Ve...