Leitsatz (amtlich)

Eine Bauträger-Bürgschaft ist so auszulegen, dass es auf die Abschmelzung durch Baufortschritt nicht ankommt, wenn der Rücktritt vom Erwerbsvertrag gesichert und der Erwerber zurückgetreten ist.

Die Verjährung der Ansprüche gegen den Bürgen beginnt erst mit Inanspruchnahme des Bürgen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, § 199 ff., § 765; MaBV § 3 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Passau (Urteil vom 25.08.2006; Aktenzeichen 4 O 269/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.07.2008; Aktenzeichen XI ZR 230/07)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Passau vom 25.8.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 118.028,73 EUR.

 

Gründe

I. Die Kläger zu 1) und 2) nehmen die Beklagte aus der Bürgschaft vom 28.12.1995 über 45.000 DM in voller Höhe Anspruch (Anlage K 3) und die Kläger zu 3) und 4) aus der wortgleichen Bürgschaft vom gleichen Tag über 185.000 DM ebenfalls in voller Höhe (Anlagen K 25 und B 7). Die Kläger richteten ihre Forderung aus der Bürgschaft erstmals 2005 bzw. 2006 an die Beklagte.

Die Kläger zu 1) und 2) und die Kläger zu 3) und 4) hatten durch notarielle Kaufverträge von einer Bauträgerin je einen Miteigentumsanteil verbunden mit Sondereigentum in einer zu errichtenden Anlage erworben, hatten auf den Kaufpreis 188.917,07 DM bzw. 185.000 DM bezahlt und waren dann mit Schreiben vom 1.3.2004 (Anlage K 16) bzw. 24.4.1998 (Anlage K 14) wegen Überschreitung des vereinbarten Fertigstellungstermins wirksam von den beiden Kaufverträgen zurückgetreten. Die Kläger erhielten von der Bauträgerin keinerlei Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises. Die Vollstreckung ihrer 2004 bzw. 2002 rechtskräftig titulierten Ansprüche verlief ergebnislos.

In den Bürgschaftsurkunden wird jeweils auf die notariellen Kaufverträge Bezug genommen, wonach die Bürgschaften Zahlungen der Käufer vor Fälligkeit nach § 3 Abs. 2 MaBV absichern sollten. Nach dieser vorausgeschickten Bezugnahme heißt es dann im Text der Bürgschaften wörtlich: "Wir verpflichten uns, Zahlung bis zur Höhe des Bürgschaftsbetrages an den Käufer zu leisten, wenn das Bauvorhaben endgültig nicht durchgeführt oder nicht fristgerecht vollendet wird und deshalb der Käufer vom Vertrag zurücktritt oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt."

Um die Auslegung dieser Bürgschaftsbestimmung streiten die Parteien vor allem.

Durch Urteil vom 25.8.2006 hat das LG Passau die Beklagte antragsgemäß jeweils in voller Höhe der Bürgschaftssumme nebst Zinsen verurteilt.

Mit der Berufung beantragt die Beklagte Klageabweisung.

Die Kläger treten dem entgegen und beantragen die Zurückweisung der Berufung.

Die Parteien wiederholen ihren Vortrag erster Instanz. Die Beklagte hält den Bürgschaftsanspruch durch entsprechenden Baufortschritt und daraus folgendem Eintritt der Fälligkeit gem. § 3 Abs. 2 MaBV für vollständig abgeschmolzen. Die Kläger meinen demgegenüber, auf die Abschmelzung könne es im Falle des Rücktritts vom Kaufvertrag nicht ankommen. Die Beklagte beruft sich auch auf Verjährung.

Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil und das Protokoll vom 6.3.2007 samt Senatshinweisen wird Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Auf die zutreffenden tatsächlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe des Ersturteils wird mit folgenden Erwägungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Auf das vorliegende Schuldverhältnis sind die vor dem 1.1.2002 geltenden Gesetze anzuwenden (Art. 229 § 5 EGBGB).

1. Das LG hat die Bürgschaftserklärungen zutreffend ausgelegt.

Die Bürgschaftsurkunden sind allein von der Beklagten unterzeichnet. Der Bürgschaftsvertrag kam durch Aushändigung der Urkunden an die Kläger als Angebot und deren konkludente Annahme zustande. Da die Kläger somit Empfänger der Willenserklärung der Beklagten waren, ist das Verständnis der Kläger für die Auslegung des Angebots und des Bürgschaftsvertrags nach §§ 133, 157 BGB maßgeblich (BGH NJW 2001, 1859). Die in Bezug genommenen Kaufverträge sind bei der Auslegung zu berücksichtigen (BGH v. 25.2.1999 - IX ZR 24/98, MDR 1999, 816 m. Anm. Hahn = NJW 1999, 2361). Diese Auslegungsgrundsätze hat das LG richtig angewendet.

a) Zutreffend weist das LG darauf hin (LGU S. 11), dass bei den Klägern der zwingende Eindruck entstehen musste, dass im Falle des Rücktritts die geleisteten Kaufpreiszahlungen in vollem Umfang durch die übernommene Bürgschaft abgesichert sind. Denn dass der Baufortschritt einzelne Raten nach § 3 Abs. 2 MaBV fällig werden und das Sicherungsinteresse entsprechend sinken lässt, kann von vorneherein keine Rolle Spielen, wenn dem Erwerber keine Sicherheit durch den erbra...

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