Leitsatz (amtlich)

1. Die verbotene Einlagenrückgewähr i.S.d. § 30 GmbHG setzt eine Minderung des im Gläubigerinteresse gebundenen Gesellschaftsvermögens voraus. Daran fehlt es bei einer Übertragung von liquiden (Sanierungs-)Mitteln auf eine hundertprozentige Tochter- oder Enkelgesellschaft bereits deshalb, weil sich dieser Vorgang für die übertragende Obergesellschaft als vermögensneutral darstellt: Im Umfang des Mittelabflusses erhöht sich nämlich der Wert ihrer Beteiligung.

2. Wird der Gesellschafter einer GmbH mit der Begründung in Anspruch genommen, er habe im Zuge eines Sanierungsversuchs der später insolvent gewordenen Gesellschaft einen existenzvernichtenden Eingriff zugefügt, so bedarf es zur Schlüssigkeit der Klage des konkreten Vortrags, durch welche Rechtsgeschäfte oder sonstigen Maßnahmen von der Gesellschaft benötigte Vermögenswerte zugunsten des Gesellschafters beiseite geschafft worden sein sollen. Die Behauptung eines "auf Aushöhlung der Gesellschaft gerichteten Gesamtplans" genügt hierfür nicht. (Fortführung von BGH, Urt. v. 13.12.2004 - II ZR 256/02, BGHReport 2005, 640 = GmbHR 2005, 299 = ZIP 2005, 250 [252]).

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 13.01.2005; Aktenzeichen 12 HKO 3613/03)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG München I vom 13.1.2005 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der U. Vermietungs GmbH vom Beklagten Zahlung von erstinstanzlich 15 Mio. EUR, im Berufungsverfahren noch 10.984.888,33 EUR unter den Gesichtspunkten der Einlagenrückgewähr, der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs und gesellschaftlicher Treuepflichtverletzung, der Geschäftsführerhaftung und auf deliktischer Grundlage.

Der Hintergrund des Rechtsstreits liegt in der Übernahme der ehemals unter "Möbel U. GmbH" firmierenden Gemeinschuldnerin, die bundesweit 55 Möbelkaufhäuser betrieb, durch eine Investorengruppe unter Führung der Eheleute K. Die Gemeinschuldnerin gehörte bis Mitte 1997 zum Konzern der M. AG, die sämtliche Anteile an der Gemeinschuldnerin hielt. Die von der Gemeinschuldnerin betriebenen 55 Möbelkaufhäuser hatten über Jahre hinweg erhebliche Verluste i.H.v. zuletzt jährlich 160 Mio. DM erwirtschaftet. Während sich die M. AG von der Gemeinschuldnerin trennen wollte, war die Investorengruppe unter Führung des Beklagten bereit, eine Sanierung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin zu versuchen.

Hierzu gründete der Beklagte mit notarieller Urkunde vom 3.2.1997 (Anlage K 5) die M. Beteiligungs GmbH, von deren Stammkapital i.H.v. 50.000 DM der Beklagte 14.700 DM, seine Ehefrau H. K. 14.600 DM und der Sohn des Beklagten, J. K. 5.000 DM erbrachten. Wegen der weiteren Gesellschafter wird auf die Anlage K 45 Bezug genommen.

Mit notariellem Vertrag vom 16.5.1997 (Anlage K 3) veräußerte die M. AG sämtliche Geschäftsanteile der Gemeinschuldnerin zum Preis von 1.000 DM an die M. Beteiligungs GmbH. Nach Ziff. 14 des Kaufvertrags hatte die Käuferin spätestens bis zum 1.7.1997 100 Mio. DM als Kapital (auch in Form einer atypisch stillen Beteiligung) zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig verpflichtete sich die Verkäuferin in Ziff. 7.3 des Vertrags, die Möbel U. GmbH zum Übergangsstichtag mit einem Eigenkapital i.H.v. insgesamt 320,5 Mio. DM auszustatten.

Zur Erbringung des von Seiten der Käuferin bereit zu stellenden Kapitals gründete der Beklagte die M. Beteiligungs GmbH & Co. Verwaltungs- und Betriebs KG (Anlage K 7), deren Kommanditisten E. und H. K. jeweils Einlagen i.H.v. 28 Mio. DM und die weiteren Kommanditisten J. K. und L. St. jeweils Einlagen von 7 Mio. DM erbrachten, welche sich mittels atypischem stillen Gesellschaftsvertrag (Anlage K 6) an der Gemeinschuldnerin mit einer Einlage von 70 Mio. DM beteiligte. Die M. AG bestätigte ggü. der M. Beteiligungs GmbH mit Schreiben vom 4.8.1997, dass die Einzahlungsverpflichtung der Käuferin gem. Ziff. 14.1 des Kaufvertrags erfüllt sei.

Der Sanierungsversuch der Investoren unter Führung des Beklagten war einerseits dem Ziel verpflichtet, die 55 Möbelhäuser in die rechtliche Selbständigkeit zu entlassen und zu eigenverantwortlichem Handeln zu führen, andererseits sollten bestimmte Aufgaben wie beispielsweise Einkauf, Rechnungswesen, Bilanzierung und Datenverarbeitung von einer System- und Dienstleistungszentrale kostengünstig erbracht werden. Wegen der Einzelheiten des Konzepts wird auf die Anlagen K 43 ("Das U.- Beteiligungssystem") und K 44 ("Zukünftige Gesellschaftsstruktur") Bezug genommen. Zu diesem Zwecke wurde für jedes der 55 Möbelhäuser eine sog. Vor-Ort GmbH gegründet. Hierfür wurden für die 32 Möbelhäuser des sog. Südbereichs von der M. Möbelbete...

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