Leitsatz (amtlich)
1. Die Besicherung eines Kredits der GmbH mittels Schuldbeitritts des Gesellschafters erhält jedenfalls dann eigenkapitalersetzenden Charakter, wenn der Gesellschafter seine Sicherheit in Kenntnis der eingetretenen Krise der Gesellschaft stehen lässt.
2. Für die Frage des "Stehenlassens" einer Sicherheit ist auf das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter abzustellen. Insofern kann der Gesellschafter bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft das der Sicherheit zugrunde liegende Schuldverhältnis (wie z.B. Auftrag) außerordentlich kündigen und Freistellung von der Gesellschaft verlangen (Rechtsgedanke des § 775 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
3. Lässt der Gesellschafter seinen Schuldbeitritt in der Krise der Gesellschaft stehen, so hat er nach § 32b GmbHG der Gesellschaft denjenigen Betrag zu erstatten, um den das Darlehen von der Gesellschaft im letzten Jahr vor der Insolvenzantragstellung zurückgeführt und der Gesellschafter von seiner Mithaftung befreit worden ist.
Normenkette
GmbHG § 32a a.F., § 32b
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 28.09.2005; Aktenzeichen 11 O 7027/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG München II vom 28.9.2005 abgeändert und erhält in Ziff. 1. folgende Fassung:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 173.562,63 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 28.5.2004 zu bezahlen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 87 % und der Beklagte 13 %.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht ggü. dem Beklagten Erstattungsansprüche nach den Grundsätzen über eigenkapitalersetzende Darlehen geltend.
Der Kläger wurde mit Beschluss vom 30.5.2002 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. Haus- und Grundstücks GmbH mit Sitz in Potsdam (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) bestellt. Der Beklagte war mit 52 % am Stammkapital und zu 75 % am Ergebnis der Gemeinschuldnerin beteiligt. Darüber hinaus war der Beklagte bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin.
Gesellschaftszweck der Gemeinschuldnerin war der An- und Verkauf von Grundbesitz jeglicher Art, insb. die Tätigkeit als Bauträger.
Mit Vertrag vom 26.11.1996 wurde ein Darlehen der Gemeinschuldnerin bei der B.-Landesbank auf 21,2 Mio. DM aufgestockt zum Zwecke der Durchführung des Bauträgerobjekts "F.". Als Sicherheit wurden der B. Landesbank Grundschulden am Baugrundstück eingeräumt, sämtliche Kaufpreisforderungen gegen die Käufer der zu errichtenden Reihenhäuser und Doppelhaushälften abgetreten, sowie eine Bürgschaft der Kreissparkasse E. i.H.v. 3,0Mio. DM zur Verfügung gestellt. Schließlich übernahm der Beklagte in unbeschränkter Höhe die persönliche Mithaftung für das Darlehen (Anlage B 2).
Das vorgenannte Darlehen der B. Landesbank wurde in der Zeit von Januar 2001 bis zum 9.1.2002 durch die auf einem gesonderten Sammelkonto eingegangenen Kaufpreiszahlungen vollständig getilgt.
Auf den Antrag vom 1.3.2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin mit Beschluss des AG Potsdam vom 30.5.2002 (Anlage K 1) eröffnet.
Der Kläger hat vorgetragen, die Gemeinschuldnerin sei spätestens im Jahr 2000 kreditunwürdig gewesen. Sie habe das Bauvorhaben nur deshalb noch ausführen können, weil der Beklagte der B. Landesbank persönliche Sicherheiten gestellt und auch nach dem Jahr 2000 unverändert belassen habe. Die Vorausabtretung der Kaufpreisforderungen habe der B. Landesbank nicht zur Besicherung genügt.
Nach Eintritt der Kreditunwürdigkeit habe der Beklagte nach § 775 BGB auf Freistellung hinwirken müssen. Da er dies nicht getan habe, sondern die Sicherheit habe stehen lassen, liege ein eigenkapitalersetzendes Darlehen vor. Der Beklagte sei deshalb gem. §§ 135 InsO, 32b Satz 1 GmbHG zur Erstattung desjenigen Betrages verpflichtet, mittels dessen die besicherte Drittforderung getilgt worden sei.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.296.270,62 EUR nebst 4 v.H. Zinsen hieraus seit einschließlich dem 28.5.2004 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Der Beklagte hat dazu vorgetragen, die Gemeinschuldnerin sei im Zeitpunkt der Kreditvergabe nicht kreditunwürdig gewesen. Dies gelte für den Stichtag 31.12.1997 ebenso wie für das Jahr 2000, da eine reine Unterbilanz nicht für die Annahme der Kreditunwürdigkeit ausreiche. Auch liege keine kapitalersetzende Sicherheit vor, da die Haftungsübernahme nur zur Sicherung der Freistellungsregelung in § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaBV geschehen sei. Überdies liege ein Stehenlassen der Sicherheit schon deshalb nicht vor, da der Beklagte keine Möglichkeit gehabt ...