Entscheidungsstichwort (Thema)

Schuldbefreiende Zahlung der Versicherungsleistung an den nicht berechtigten Inhaber des Versicherungsscheins

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf Grund der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins darf der Lebensversicherer die Versicherungsleistung mit befreiender Wirkung auch an den materiell nicht berechtigten Inhaber (hier wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot) auszahlen.

2. Die Legitimationswirkung erstreckt sich auch auf die Berechtigung zur Vertragskündigung.

3. Die Legitimationswirkung greift nicht ein, wenn der Versicherer die Nichtberechtigung des Inhabers positiv kennt oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat. Es bleibt offen, ob dies auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis von der Nichtberechtigung gilt.

 

Normenkette

BGB §§ 134, 409 Abs. 1 S. 1, § 409 S. 2, §§ 413, 793 Abs. 1 S. 2, § 808 Abs. 1 S. 1; VVG § 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 31.08.2016; Aktenzeichen 23 O 5454/16)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG München I vom 31.08.2016, Az. 23 O 5454/16, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 34.875,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Parteien streiten um den Fortbestand einer vom Kläger zum 01.06.1989 bei der Beklagten abgeschlossenen Kapitallebensversicherung mit einem geplanten Ablauf zum 01.06.2024. Die Einzelheiten ergeben sich aus der Anlage K 1.

Mit Kaufvertrag vom 10.09.2010 (Anlage K 2) veräußerte der Kläger diese Lebensversicherung an die E. S& K I. GmbH (im folgenden: S& K) und trat zugleich sämtliche Rechte und Ansprüche daraus an die Erwerberin ab. Der vereinbarte Kaufpreis in Höhe von EUR 8107,50 sollte in einem Teilbetrag von EUR 2.702,50 sofort nach Auszahlung des Rückkaufswertes an die Erwerberin, der Restbetrag in Höhe von EUR 5404,00 nach 8 Jahren bezahlt werden. Zugleich unterzeichnete der Kläger am 10.09.2010 eine an die Beklagte adressierte "Anzeige der Abtretung einer bestehenden Versicherungspolice". Unter Angabe der Policennummer...168 wird dort unter Ziff. 1 die Abtretung aller gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsverhältnis an die S& K mit Wirkung zu 10.09.2010 erklärt, insbesondere (Unterpunkt 2) das Recht, die Kapitalversicherung im Ganzen oder einzelne der von der Kapitalversicherung umfassten Versicherungen zu kündigen. Gemäß Ziff. 4 hat der Kläger als Versicherungsnehmer bereits jetzt seine unwiderrufliche Zustimmung zu einer etwaigen Kündigung der Kapitalversicherung im Ganzen und/oder einzelner der von der Kapitalversicherung umfassten Zusatzversicherungen durch die S& K erklärt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut B 1 (S. 2/3) Bezug genommen.

Die S& K kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 14.09.2010 und begehrte die Auszahlung des Rückkaufwertes. Ausweislich des Textes dieses Schreibens soll die Original-Police, welche der Kläger unstreitig zuvor der S& K ausgehändigt hatte, beigefügt gewesen sein. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf S. 1 des Anlagenkonvoluts B 1 Bezug genommen. Die Beklagte bezahlte den von ihr in Höhe von EUR 9.157,16 abgerechneten Rückkaufwert am 27.10.2010 an die S& K aus. Den ersten Teilbetrag des Kaufpreises von EUR 2.702,50 hat der Kläger erhalten. Die S& K befindet sich zwischenzeitlich in Insolvenz. Mit Anwaltsschreiben vom 07.12.2015 (Anlage K4) begehrte der Kläger die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses, was die Beklagte mit Schreiben vom 19.01.2016 (Anlage K 5) ablehnte.

Der Kläger ist der Ansicht, der Kaufvertrag zwischen ihm und der S& K sei gemäß § 134 BGB i.V.m. § 32 KWG wegen eines Einlagengeschäfts ohne erforderliche Genehmigung in Form einer teilweisen Stundung des Kaufpreises, sowie gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 RDG wegen unerlaubter Rechtsberatung in Form der Inkassodienstleistung nichtig. Gemäß § 139 BGB erfasse die Nichtigkeit des Kaufvertrages auch die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag. Auf § 409 BGB könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Nichtigkeit auf einem Verstoß gegen ein Verbotsgesetz beruhe. Sie könne sich auch nicht auf § 808 BGB berufen, weil ihr die Nichtigkeit bekannt bzw. infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sei. Auch habe sie Beratungspflichten ihm gegenüber verletzt.

Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht der Vertrag sei wirksam gekündigt worden. Im Übrigen habe sie leistungsbefreiend an die S& K geleistet.

Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf de...

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