Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Nimmt die Klägerin, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in München, die Erbin eines Aktionärs mit Sitz in der Schweiz aufgrund einer vom Erblasser eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung in die Kapitalrücklage der Gesellschaft in Anspruch, handelt es sich um einen vertraglichen Anspruch, nicht um einen auf dem Gebiet des Erbrechts i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 LugÜ. Bilden Ansprüche aus Vertrag den Gegenstand des Verfahrens, ist international gem. Art. 5 Nr. 1 LugÜ das Gericht zuständig, in dessen Bezirk eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist.
2. Der gem. Art. 27, 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5 EGBGB nach deutschem Recht zu bestimmende Erfüllungsort ist für derartige Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Aktionär gem. § 269 Abs. 1 BGB der Sitz der Aktiengesellschaft.
3. Begehrt die Klägerin daneben vom Testamentsvollstrecker über den gesamten Nachlass des verstorbenen Aktionärs, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, Duldung der Zwangsvollstreckung in die seiner Verwaltung unterliegenden Nachlassgegenstände, handelt es sich um einen Rechtsstreit auf dem Gebiet des Erbrechts, auf das das Luganer Übereinkommen gem. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 LugÜ keine Anwendung findet.
4. Die internationale Zuständigkeit des LG München I ergibt sich bei einem Erblasser mit deutscher Staatsangehörigkeit und einem letzten inländischen Wohnsitz in München aus Art. 25, 26 EGBGB i.V.m. §§ 27, 28 ZPO, wenn sich noch Nachlassgegenstände im Bezirk des Gerichts befinden.
Normenkette
LuGÜ Art. 2 Abs. 2 Nr. 1; LugÜ Art. 5 Nr. 1; EGBGB Art. 25-28; BGB § 269 Abs. 1; ZPO §§ 27-28
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 21.04.2011; Aktenzeichen 5 HK O 10692/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des LG München I vom 21.4.2011 - 5 HK O 10692/10, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, ein traditionsreiches Pharmaunternehmen mit Sitz in München, begehrt von der Beklagten zu 2) als Alleinerbin ihres Aktionärs, Günther S., aufgrund einer zwischen ihr und dem Aktionär getroffenen Vereinbarung über die Einzahlung in die Kapitalrücklage Zahlung von 2 Mio. Euro. Vom Beklagten zu 1) als Testamentsvollstrecker über den gesamten Nachlass des Erblassers S. fordert die Klägerin die Duldung der Zwangsvollstreckung in die seiner Verwaltung unterliegenden Nachlassgegenstände wegen des Betrags i.H.v. 2 Mio. Euro.
Die Klägerin führte im Oktober 2008 und im März 2009 zwei Kapitalerhöhungen durch, die von der K. Beteligungsgesellschaft mbH übernommen wurde, so dass diese nach Durchführung 75,02 % des Grundkapitals hielt. Am 27.3.2009 fanden in Lugano Gespräche statt, die die Thematik der Einzahlung in die Kapitalrücklage erneut zum Gegenstand hatten. Ausweislich des Protokolls (Anlage K 10), das vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Klägerin und vom Erblasser unterschrieben wurde, sollte letzterer "2 Millionen Euro in die Kapitalrücklage der Gesellschaft, zum Zwecke der Rückführung von Darlehen der Fa. J." erbringen.
Am 16.12.2009 verstarb der langjährige Vorstand und Alleinaktionär Günther S. Eine Zahlung der 2 Mio. Euro war bis dahin nicht erfolgt.
Die Klägerin macht zur Begründung der Klage im Wesentlichen geltend, aufgrund der Vereinbarung vom 27.3.2010 stehe ihr ein Anspruch auf Zahlung des Betrags von 2 Mio. Euro in die Kapitalrücklage zu und habe der Testamentsvollstrecker die Zwangsvollstreckung in die seiner Verwaltung unterliegenden Nachlassgegenstände zu dulden. Das LG München sei für den Rechtsstreit international zuständig.
Dem tritt die Beklagte entgegen und begehrt Klageabweisung, da sie die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit des LG München I bereits für unzulässig erachtet. Sie ist der Auffassung, dass sich eine Zuständigkeit des LG München I nicht aus Art. 16 Nr. 2 LugÜ, da es sich um keine Streitigkeit auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts handele, und auch nicht aus dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts ergebe. Die Beklagte hält die Klage zudem wegen Fehlens eines wirksamen Vertrags für unbegründet.
Ergänzend wird auf die tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Das LG hat durch Zwischenurteil gem. § 280 Abs. 2 ZPO über die internationale Zuständigkeit entschieden und dabei festgestellt, dass das LG München I international für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig ist. Es hat dabei maßgeblich Art. 5 Nr. 1 LugÜ herangezogen und darauf abgestellt, dass eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat - nämlich vor dem Gericht des Ortes, in dem die Vert...