Leitsatz (amtlich)
1. Die für die Anfechtungsklage entwickelte Rechtsprechung, wonach die Klagebefugnis eines Minderheitsaktionärs nach Verlust seiner Aktionärsstellung durch Squeeze-out gem. § 265 Abs. 2 ZPO analog fortbestehen kann, findet auch auf Feststellungsklagen Anwendung.
2. Die Klage eines Minderheitsaktionärs nach Verlust seiner Aktionärsstellung auf Feststellung der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 256 ZPO zulässig. Für das danach erforderliche Feststellungsinteresse genügt die Möglichkeit, dass der angegriffene Akt Auswirkungen auf den Barabfindungsanspruch nach § 327a AktG haben kann.
3. Die Feststellung des berechtigten Fortführungsinteresses ist Gegenstand der Begründetheit der Klage. Ein solches Interesse besteht nur dann, wenn sich die gerügten Mängel des Jahresabschlusses bei dessen Nichtigkeit auf den materiellen Wert der Barabfindung auswirken können.
Normenkette
ZPO §§ 256, 265 Abs. 2; AktG §§ 327a, 327e
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen 5 HKO 11783/07) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG München I vom 20.12.2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
Der Kläger war jedenfalls ab 5.2.2009 nicht mehr Minderheitsaktionär der Beklagten, der i. Software Aktiengesellschaft. Diese wurde nach Vertrag vom 26.2.2009 und Beschluss ihrer Hauptversammlung vom 27.2.2009 sowie Gesellschafterversammlung der übernehmenden Gesellschaft vom 27.2.2009 mit der O. T. Software GmbH verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 19.3.2009 in das Handelsregister des AG Hamburg eingetragen.
Am 24.1.2008 beschloss die Hauptversammlung der Beklagten die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär, die O. Inc. mit Sitz in Waterloo/Kananda (§ 327a AktG); der Squeeze-out Beschluss wurde am 5.2.2009 endgültig in das Handelsregister des AG München eingetragen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.
Er ist der Ansicht, schutzwürdige Interessen der Minderheitsaktionäre bestehen auch nach der Durchführung des Squeeze-out, so lange die Minderheitsaktionäre noch potentielle vermögensrechtliche Ansprüche aus Rechtsstreitigkeiten haben, die ihre Ursache in der früheren Mitgliedschaft haben. Der inmitten stehende Jahresabschluss befände sich im Schnittpunkt von zwei Spruchstellenverfahren. Für die Spruchstellenverfahren spiele es insbesondere eine Rolle, welche nachhaltigen Erträge zu erzielen sind. Im Hinblick auf § 327c Abs. 3 Ziff. 2 AktG, wonach von der Einberufung der Hauptversammlung an, in der der Squeeze-out beschlossen werden soll, die Jahresabschlüsse für die letzten drei Geschäftsjahre auszulegen sind, könne es rechtlich nicht unerheblich sein, ob ein danach vorzulegender Jahresabschluss nichtig ist. Ferner wirke sich die Nichtigkeit des Jahresabschlusses auch auf den entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss aus. Weiterhin führen höhere Pensionsrückstellungen zum 30.6.2006 dazu, dass für die Zeit nach dem Bewertungsstichtag geringere Pensionsaufwendungen anfallen. Im Übrigen sei das Sachverständigengutachten fehlerhaft. Insbesondere würde darin eine bloße Literaturauswertung vorgenommen.
Der Kläger beantragt
1. Das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG München vom 20.12.2007 - Az. 5 HK O 11783/07 - wird abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass der Jahresabschluss der Beklagten per 30.6.2006, ausweisend eine Bilanzsumme von 106.343.182,34 EUR sowie einen Bilanzverlust i.H.v. ./. 12.033.826,16 EUR, nichtig ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bestreitet ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Sie ist außerdem der Ansicht, eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses 2005/2006 liege nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht vor.
Zu dem Vorbringen im Einzelnen wird auf die Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 2.7.2008 zum Beweis der Behauptungen des Klägers, der Jahresabschluss per 30.6.2006 sei nichtig, den Sachverständigen, Prof. Dr. Dr. h.c. B., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Vor Beauftragung des Sachverständigen wurde der Klägervertreter durch den Berichterstatter telefonisch daraufhingewiesen, dass wegen des Squeeze-out und des damit verbundenen Ausscheidens der Minderheitsaktionäre aus der Aktiengesellschaft für den Kläger ein Prozessrisiko bestehe. Der Senat hat mit Verfügung vom 7.1.2009 einen schriftlichen Hinweis erteilt, dass sich der Rechtsstreit durch die Eintragung der Übertragung der Akti...