Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallgeschehen - seltener PKW aus dem Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidet sich die Geschädigte für eine Abrechnung auf Gutachtensbasis in Höhe der Kosten einer fiktiven Ersatzbeschaffung, ist maßgebend der - bei Fehlen eines funktionierenden Marktes unter Umständen höhere - Preis, den der Geschädigte beim Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs aufwenden müsste (Rn. 20)
2. Soweit der Gläubiger eine Gutschrift auf einem Konto verlangt, ist zum Devisenkassakurs umzurechnen, bei Stückgeldzahlung ist der am jeweiligen maßgeblichen Ort herrschende Sortenkurs zugrunde zu legen; außerdem ist der Unfalltag maßgebliche Wechselkurs heranzuziehen. (Rn. 37 - 38)
3. Auch in dem Fall, in dem die Geschädigte zwar tatsächlich eine umsatzsteuerpflichtige Ersatzbeschaffung vornimmt, die dabei anfallende Umsatzsteuer also zur Wiederherstellung des früheren Zustands einsetzt, für die Schadensabrechnung aber die für sie günstigere Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung der Kosten der Ersatzbeschaffung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens wählt, erhält die Geschädigte nicht den vollen, sondern den um die Umsatzsteuer reduzierten Geldbetrag. (Rn. 45)
4. Ein Geschädigter muss sich an der gewählten fiktiven Schadensabrechnung nur dann festhalten lassen, wenn die konkreten Kosten einer tatsächlich erfolgten Ersatzbeschaffung unter Einbeziehung der Nebenkosten den ihm aufgrund der fiktiven Schadensberechnung zustehenden Betrag nicht übersteigen (ebenso BGH BeckRS 2018, 27895). (Rn. 52)
Normenkette
BGB §§ 244, 249 Abs. 2 S. 2, §§ 251, 254 Abs. 2 S. 2, § 278; VVG § 119 Abs. 3; ZPO § 287 Abs. 1 S. 2, §§ 314, 531
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Urteil vom 17.06.2019; Aktenzeichen 61 O 1017/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Parteien vom 17.07.2019 wird das Endurteil des LG Ingolstadt vom 17.06.2019 (Az. 61 O 1017/17) in Ziff. 1 und 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 46.430,40 EUR nebst Zinsen aus 8.161,47 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.07.2017 und aus 38.268,93 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.08.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.260,90 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.07.2017 zu zahlen.
Im Übrigen werden die Berufungen der Parteien zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 60%, die Beklagten samtverbindlich 40%.
III. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallgeschehen vom 31.08.2016 auf der Kreisstraße ND 28 in B. geltend.
Unfallhergang und Alleinverschulden des Beklagten zu 1) am Unfall stehen unstreitig fest. Die Parteien streiten jedoch über die Höhe der von den Beklagten gesamtschuldnerisch zu ersetzenden Schadenspositionen.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Wiederbeschaffungswert des streitgegenständlich verunfallten Pkw N. M 600 Carbon Sport LHD sei mit dem Neuwagenpreis in Ansatz zu bringen, da auf dem deutschen Markt ein vergleichbarer Pkw wie der streitgegenständliche als Vorführ- oder Gebrauchtfahrzeug mit nur geringer Laufleistung grundsätzlich nicht zu erwerben sei. Rabatte auf Neufahrzeuge würden von der Firma N. nicht gewährt. Der der Klägerin gewährte Rabatt in Höhe von 13% sei ein einmaliger Rabatt gewesen. Ein Restwert des verunfallten Fahrzeugs habe nicht bestanden, sodass dieser nicht in Abzug zu bringen sei.
Zudem seien weitere Fracht- und Transportkosten, Nachrüstkosten, An- und Abmeldekosten, Kosten für TÜV-Datenblatterstellung, FIN-Prüfkosten, Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens, weitere Abschleppkosten sowie Kosten für eine Baufolie und Standkosten sowie Übersetzungskosten in Ansatz zu bringen. Bezüglich der geltend gemachten Sachverständigenkosten sei das in Ansatz gebrachte Grundhonorar aufgrund der hohen Schadenssumme angemessen.
Weiter ist die Klägerin der Auffassung, es sei auch die beim Kauf des verunfallten Fahrzeugs angefallene Mehrwertsteuer in Höhe von 49.968,07 EUR als Schaden zu ersetzen.
Bezüglich des Wechselkurses des fiktiv in englischen Pfund anfallenden Wiederbeschaffungswertes sei der Wechselkurs zum Unfallzeitpunkt anzusetzen, wobei auf den Sortenkurs und nicht auf den Devisenkurs abzustellen sei.
Das Restwertangebot der Beklagten sei verspätet eingegangen und somit nicht zu berücksichtigen.
Hinsichtlich des P...