Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückabwicklung eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs: Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers bei Rückübereignung des Kraftfahrzeugs an den Verkäufer nach Erklärung des Widerrufs
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Darlehensgeber steht gegenüber dem vorleistungspflichtigen Darlehensnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis er das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten oder der Darlehensnehmer den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Das Leistungsverweigerungsrecht steht dem Darlehensgeber auch in Bezug auf vom Darlehensnehmer nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erfolgten Zahlungen zu (vgl. u.a. BGH, 24. Mai 2022, XI ZR 166/21). (Rn. 30)
2. Ist dem Darlehensnehmer die Herausgabe des Kraftfahrzeugs nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich, weil er nach Erklärung des Widerrufs das Fahrzeug an den Verkäufer zurück übereignet hat, so besteht das Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers dauerhaft als peremptorische Einrede i.S.v. § 813 S. 1 BGB (entgegen u.a. OLG Stuttgart, 22. März 2022, 6 U 326/18). (Rn. 34) (Rn. 35)
Normenkette
BGB § 275 Abs. 1, § 357 Abs. 4 S. 1 aF, § 358 Abs. 4 S. 1 aF, § 813 S. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.12.2021; Aktenzeichen 22 O 10873/21) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.12.2021, Az. 22 O 10873/21, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers und sich daraus gegebenenfalls ergebende, wechselseitige Rückabwicklungsansprüche.
Der Kläger erwarb im September 2016 bei der Autohaus ... GmbH, Heilbronn (im Folgenden: Verkäuferin), einen gebrauchten Pkw, Marke BMW, Typ 118d, zum Kaufpreis von 18.779 EUR. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 07.09.2016 einen Darlehensvertrag (Anlage K 1/B 1) über einen Nettodarlehensbetrag von 16.607,59 EUR mit einem gebundenen Sollzinssatz von 1,00 % p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten, beginnend im Oktober 2016, in 47 Monatsraten zu je 172,44 EUR und einer Schlussrate von 9.013,92 EUR erbracht werden.
Auf S. 5 des Darlehensvertrags ist unter der Überschrift "Ausbleibende Zahlungen" angegeben:
"Für ausbleibende Zahlungen werden die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr sowie ggf. (...) berechnet."
Über sein Widerrufsrecht informierte die Beklagte den Kläger auf S. 8 des Darlehensvertrags. Dabei ist unter der Überschrift "Widerrufsrecht" u.a. folgendes ausgeführt:
"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nach dem Sie alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten haben."
Das Darlehen wurde vollständig an die Verkäuferin ausbezahlt.
Mit Schreiben vom 07.01.2020 (Anlage K 2) erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung.
Nachdem die Beklagte den Widerruf als verfristet zurückgewiesen hatte, forderte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 11.03.2020 (Anlage K 3) die Beklagte zur vollständigen Rückabwicklung des Darlehensvertrags auf und bot ihr die Übergabe des Fahrzeugs nebst Fahrzeugschlüsseln an.
Ein tatsächlicher Rückgabeversuch fand nicht statt.
Das Darlehen ist mittlerweile vollständig abgelöst.
Im August 2020 übereignete und übergab der Kläger das Fahrzeug an die Verkäuferin zurück.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Widerrufsfrist sei bei Darlehenswiderruf schon abgelaufen gewesen, da die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag wirksam gewesen sei. Auch seien die Pflichtangaben im Darlehensvertrag vollständig und richtig erteilt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das angegriffene Urteil verwiesen.
Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 28.01.2022 (Bl. 134 f. d.A.) eingelegte und mit Schriftsatz vom 28.02.2022 (Bl. 143 ff. d.A.) begründete Berufung des Klägers. Er beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und stattdessen zu erkennen wie folgt.
Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei 7.336,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen;
hilfsweise im Wege der Widerklage:
2. die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klägerin 2.428,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der ...