Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbung für Brustvergrößerungen oder -verkleinerungen ohne medizinische Indikation mit Vorher-Nachher-Bildern
Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Arzt oder eine Ärztin mit vier intraoperativen Halbzeitaufnahmen von Brustoperationen wirbt, die die eine Brust im bereits operierten und die andere im nicht operierten Zustand zeigen, so ist der Verbotstatbestand des § 11 Abs. 1 S. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2c HWG nur dann nicht verletzt, wenn der Durchschnittsverbraucher aus den Abbildungen die medizinische Notwendigkeit des Eingriffs erkennt. Es kommt also nicht darauf an, ob es sich in den behandelten Fällen tatsächlich um medizinisch notwendige Eingriffe gehandelt hat. (Rn. 36)
Normenkette
HWG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1 S. 3; UWG § 3 Abs. 4, § 3a
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 30.09.2021; Aktenzeichen 17 HK O 14537/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 30.09.2021, Aktenzeichen 17 HK O 14537/19, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen, abgeändert und neu gefasst wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für operative plastisch-chirurgische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff zu werben, wenn dies geschieht wie folgt:
((Abbildung))
und/oder
((Abbildung))
und/oder
((Abbildung))
und/oder
((Abbildung))
jeweils sofern dies geschieht wie in Anlagen K 3, K 4 und K 9 wiedergegeben.
((Abbildungen))
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 EUR nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.11.2019 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in obiger Fassung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung iHv 30.000,00 EUR und im Übrigen durch Sicherheitsleistung iHv 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe bzw. iHv 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Klägerin macht lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche und einen Abmahnkostenerstattungsanspruch geltend wegen nach ihrer Ansicht unzulässiger Werbung der Beklagten für plastisch-chirurgische Eingriffe, insbesondere Vergrößerungen und Verkleinerungen der weiblichen Brust, durch die im Antrag wiedergegebenen Abbildungen wie in Anlagen K 3, K 4 und K 9 enthalten.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung auf Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört. Mitglieder sind ua auch Ärztekammern, Kliniken und andere Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen.
Die Beklagte ist auf plastisch-chirurgische Medizin spezialisierte Ärztin und bietet Vergrößerungen und Verkleinerungen der weiblichen Brust an. Sie bewarb diese mit den im Unterlassungsantrag wiedergegebenen vier Abbildungen auf ihrem Instagram Account www... wie in den Anlagen K 3, Seiten 2/16, K 4 und K 9 wiedergegeben. Zu ihrem Instagram Account gelangte man ua durch eine Verlinkung von der Homepage der Beklagten unter www... durch Anklicken eines Icons, das eine stilisierte Kamera abbildet (vgl. Anlage K 3, Seite 1, oben rechts). Zudem war, um den Auftritt der Beklagten bei Instagram aufrufen zu können, eine Registrierung und Anmeldung des Nutzers bei Instagram erforderlich. Gelangte man auf den Instagram Account der Beklagten, so präsentierte sich dieser am 22.08.2019 wie auf Anlage K 3, Seiten 2/16, wiedergegeben. Klickte man dort die auf Seite 5, Seite 6, Seite 7 und Seite 13 der Anlage K 3 markierten Bilder an, so erschien eine Ansicht, in der das angeklickte Bild angezeigt und Begleittexte eingeblendet werden sowie eigene Kommentare hinzugefügt werden können, so für den 30.09.2019 abgebildet auf Anlage K 4 und auf Anlage K 9. Zu diesen individuellen Bildansichten mit Begleittext kann man auch über die Auswahl im Menü gelangen.
Mit Schreiben vom 26.08.2019 mahnte der Kläger die Beklagte ab (Anlage K 5).
Der Kläger ist der Ansicht die beanstandeten Abbildungen auf dem Instagram Account der Beklagten verstießen gegen § 11 Abs. 1 S. 3 HWG, hilfsweise gegen § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 HWG.
Der Kläger hat beantragt
wie erstinstanzlich erkannt.
Die Beklagte hat beantragt
Klageabweisung.
Nach Ansicht der Beklagten liegt kein solcher Verstoß vor. Alle abgebildeten Eingriffe seien medizinisch indiziert gewesen wegen durch die ursprüngliche Brustgröße und -form hervorgerufenen Erkrankungen orthopädischer, ...