Entscheidungsstichwort (Thema)
Erblasser, Krankheit, Erkrankung, Gutachten, Diagnose, Berufung, Vaterschaft, Testament, Widerspruch, Beschwerdeverfahren, Anlage, Beschwerde, Feststellung, Pflegedienst, gesetzliche Erbfolge, geschiedene Ehefrau, Antrag des Beklagten
Verfahrensgang
LG München (Urteil vom 28.10.2015; Aktenzeichen 40 O 7178/14) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.10.2015, Az. 40 O 7178/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Urteil sind im Kostenpunkt ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt die Feststellung ihres Alleinerbrechts nach ihrem am 3. Juli 2009 verstorbenen geschiedenen Vater aufgrund Testaments vom 4. Dezember 2008. Der Beklagte - neben der Klägerin der einzige weitere Abkömmling des Erblassers - hält demgegenüber das Testament für unwirksam nach § 2229 Abs. 4 BGB und beansprucht neben der Klägerin ein gesetzliches Erbrecht zu 1/2.
Im Erbscheinsverfahren erteilte das Amtsgericht Rosenheim nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens (Dr. G.), das eine Testierfähigkeit des Erblassers bejahte, den von der Klägerin beantragten Alleinerbschein. Das Oberlandesgericht München wies im Beschwerdeverfahren das Amtsgericht zur Einziehung des erteilten Erbscheins an, nachdem der von ihm bestellte Sachverständige Dr. H. - anders als zunächst schriftlich begutachtet - insbesondere aufgrund der Erkenntnisse aus einer Zeugeneinvernahme (Zeugin B.) eine paranoide Symptomik hinsichtlich des enterbten Beklagten feststellte und Testierfähigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verneinte. Das Verfahren über den Antrag des Beklagten auf Erteilung eines Erbscheins, der gesetzliche Erbfolge bezeugt, ist ausgesetzt.
Im Zivilverfahren macht die Klägerin geltend, ihr Vater habe zwar einem esoterischen Weltbild angehangen, sei aber testierfähig gewesen. Der Erblasser habe sich im Vorfeld der Testamentserrichtung intensiv mit dessen Inhalt auseinandergesetzt. Wahnfreier Grund für die Enterbung des Beklagten sei das gestörte Vater-Sohn-Verhältnis gewesen; dieser habe ihn nur selten besucht, sei keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und habe sich um das Geschäft des Vaters und Immobilien nicht gekümmert. Nach Auffassung des Erblassers hätte der Beklagte mit dem Nachlass nicht sorgsam umgehen und - da der Beklagte, anders als die Klägerin, kinderlos sei - ihn an Nachkommen nicht weitergeben können.
Die Klägerin hat beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Klägerin Alleinerbin nach dem verstorbenen K. E., verstorben am ...2009, geboren am ...1921, zuletzt wohnhaft in ..., geworden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die Enterbung sei von wahnhaften Ideen - etwa dass der Beklagte dem Erblasser nach dem Leben trachte und dieser ihm kriminelle Machenschaften unterstelle - getragen gewesen.
Das Landgericht hat nach Beiziehung der Nachlassakte und Einvernahme von neun Zeugen die Klage, ebenfalls durch Dr. H. (der allerdings zunächst einige Lücken in seiner Erinnerung an seine frühere Begutachtung im Nachlassverfahren schließen musste, vgl. Protokoll vom 15.03.2015, insb. S. 5, Bl. 101 d.A.) mündlich sachverständig beraten, abgewiesen. Es stehe zur Überzeugung des Landgerichts fest, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an einem chronischen Wahn gelitten habe, dass das Verhältnis zum Sohn wesentlicher Teil des Wahns gewesen sei und deshalb von Testierunfähigkeit im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB auszugehen sei. Konkret habe ein Beziehungs- und Beeinträchtigungswahn vorgelegen; die gestörte Realitätswahrnehmung werde durch den Inhalt der Zeugenaussagen aufgezeigt. Der Erblasser sei von seinem Tun wahnhaft und unkorrigierbar überzeugt. Anknüpfungspunkte seien das Leugnen der Vaterschaft hinsichtlich des Sohnes trotz Vorliegens eines Vaterschaftstests, der Vorwurf einer Manipulation des Autos durch den Sohn, das schwarzmagische Verhexen von Brot und Blumenstöcken. Auch wenn man einen Überschneidungsbereich zwischen Wahnsyndrom und esoterisch-religiösem Weltbild anerkenne, gehe das Verhalten des Erblassers über eine rein esoterische Beschäftigung weit hinaus und zeige eine wahn- und damit krankhafte Symptomatik, die zur Testierunfähigkeit führe. Ergänzend wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Landgerichts gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.
Gegen das ihr am 16.11.2015 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 15.12.2015 eingelegten und - nach Fristverlängerung bis zum 08.02.2016 - am 04.02.2016 begründeten Berufung.
In rechtlicher Hinsicht habe d...