Leitsatz (amtlich)
Ist ein Wikipedia-Eintrag bei objektiver Betrachtung - neben einer etwaigen allgemeinen Unterrichtung der Öffentlichkeit - jedenfalls auch darauf gerichtet, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher den Absatz einer Ware zu fördern, kann eine Verschleierung des Werbecharakters i.S.v. § 4 Nr. 3 UWG nicht deshalb verneint werden, weil Diskussionsbeiträge zu diesem Eintrag auf Wikipedia zur Verfügung stehen. Denn es kann nicht angenommen, dass der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Internetnutzer neben einem Wikipedia-Eintrag regelmäßig auch zugehörige Diskussionsbeiträge zur Kenntnis nimmt, zumal wenn diese erst zeitversetzt online gestellt werden.(Rz. 12)
Normenkette
UWG § 2 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 3, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 10.01.2012; Aktenzeichen 33 O 21481/11) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Antragsgegner wird das Urteil des LG München I vom 10.1.2012 teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
I. Die einstweilige Verfügung des LG München I vom 4.10.2011 wird in folgendem Umfang aufrechterhalten:
1. Den Antragsgegnern wird zugunsten der Antragstellerin zu 2) im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - (wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) am Geschäftsführer zu vollziehen ist) wegen jeder Zuwiderhandlung
untersagt,
in Artikeln des Online-Nachschlagewerks "Wikipedia" eine oder mehrere der folgenden Behauptungen aufzustellen:
a) Ein Import von Weihrauchpräparaten nach Deutschland sei mit ärztlicher Verordnung (Privatrezept) nicht möglich, da diese in Indien nicht aufgrund einer mit europäischen Maßstäben vergleichbaren Zulassung als Arzneimittel zugelassen seien;
b) Weihrauchpräparate, die in Indien als "ayurvedic medicine" bzw. "ayurvedic drugs" im Handel sind, seien in der Europäischen Union rechtlich als "Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke" zu qualifizieren, somit gebe es keine importierbaren "Arzneimittel";
c) das Erzeugnis "H 15 Gufic" sei in Deutschland zur Zeit nicht verfügbar, da darüber Markenrechtsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten anhängig seien;
d) das Erzeugnis "Sallaki" sei in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel in allen Apotheken erhältlich;
wenn dies jeweils geschieht wie in der nachstehend wiedergegebenen Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte
((Abbildung entfernt))
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
2. Die bis zur Beschlussverfügung des LG München I vom 4.10.2011 entstanden Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Antragstellerin zu 1) und die Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2), die die Antragsgegner zu tragen haben. Die weiteren Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.
II. Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung des LG München I vom 4.10.2011 aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Antragsgegner zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.
Gründe
1. Von der Darstellung eines Tatbestands wird gem. § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
2. Die zulässige Berufung der Antragsgegner ist im Wesentlichen nicht begründet.
a) Allerdings ist der - abstrakt gefasste - Verfügungsantrag nicht hinreichend bestimmt.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (BGH GRUR 2011, 539, Rz. 11 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung ist nur hinnehmbar und im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kein Zweifel besteht (vgl. BGH GRUR 2011, 539, Rz. 13 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). So liegt der Fall hier bezüglich des auslegungsbedürftigen Begriffs "geschäftliche Handlung" nicht. Denn zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob das beanstandete Verhalten des Antragsgegners zu 1. eine geschäftliche Handlung darstellt.
b) Die Antragstellerin zu 2) hat jedoch mit ihrem Vorbringen zu erkennen gegeben, dass jedenfalls die konkret beanstandete Verhaltensweise verboten werden soll. Der abstrakt gefasste Antrag umfasst die Unterlassung der konkreten Verletzungsform (vgl. Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte) als Minus (vgl. BGH GRUR 2012, 405, Rz. 16 - Kreditkontrolle). Dem wird durch Ziff. 1. I.1. des Tenors des vorliegenden ...