Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtvertragliche Regelung als Inidz für Angemessenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Gesamtvertragliche Regelungen zwischen Verwertungsgesellschaften und Nutzerverbänden können als Anhaltspunkt für die Bemessung der angemessenen Vergütung im Sinne der §§ 54 I, 54a UrhG auch im Verhältnis zu gesamtvertraglich nicht gebundenen Außenseitern herangezogen werden.

 

Normenkette

UrhG § 54 Abs. 1, § 54a

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 04.11.2021; Aktenzeichen I ZR 138/20)

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 60.480,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 40.880,00 vom 24. August 2016 bis zum 28. Dezember 2018, aus EUR 81.760,00 für die Zeit vom 29. Dezember 2018 bis 06. September 2019 sowie aus EUR 60.480,00 seit 07. September 2019 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

und folgenden Beschluss:

Der Streitwert für das Verfahren wird auf EUR 86.760,00 festgesetzt (Zwischenfeststellung EUR 5.00,00, Zahlung EUR 81.760,00), § 44 GKG, § 3 ZPO.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Hersteller und Importeur der von ihr in der Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2015 importierten und im Inland in Verkehr gebrachten Tablets im Wege der Stufenklage auf Auskunft, Zwischenfeststellung der Zahlungspflicht in näher bezeichneter Höhe und Zahlung der sich danach errechnenden Vergütung in Anspruch. Nach Teilanerkenntnis hinsichtlich des Auskunftsanspruchs und Erlass eines entsprechenden Teilanerkenntnisurteils am 23. Mai 2019 (Bl. 178 ff. d.A. i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses vom 01. Juli 2019) hat die Klägerin auf der Basis der erteilten Auskünfte (Null-Auskunft für die Jahre 2011 bis 2013, Angaben für die Jahre 2014 und 2015, vgl. Anlage B 1) ihren Zahlungsanspruch mit EUR 81.760,00 beziffert und macht nunmehr - nach Teilzahlung der Beklagten in Höhe von EUR 21.280,00 - auf der zweiten Stufe den Restbetrag in Höhe von EUR 60.480,00 geltend.

Die Klägerin ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ihrerseits Ansprüche aus §§ 54 ff. UrhG herleiten können. Nach dem Gesellschaftsvertrag in der aktuellen Fassung vom 30. November 2016 (Anlage K 2) haben ihre Gesellschafter die von ihnen wahrgenommenen Rechte der Urheber betreffend die Vergütung für privilegierte Vervielfältigungen von Audiowerken und audiovisuellen Werken in die Klägerin eingebracht, die Klägerin macht diese Rechte und Ansprüche in eigenem Namen geltend. Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst und die Verwertungsgesellschaft Wort haben darüber hinaus ihre Ansprüche nach §§ 54 ff. UrhG wegen der Vervielfältigung von Text- und Bildwerken, die nicht Bestandteil von audiovisuellen Werken oder von Audiowerken sind ("stehendem Text und Bild") u.a. mittels Tablets, die in der Zeit vom 01.01.2008 bis 30.06.2016 im Inland in Verkehr gebracht wurden, unter dem 13./14.09. bzw. 10.10.2016 mit Wirkung vom 01.10.2016 (Anlage K 3) an die Klägerin abgetreten.

Die Beklagte importiert Haushalts- und Elektronikprodukte und hat - nach ihren Angaben - jedenfalls in der Zeit von 2014 bis 2016 - u.a. Tablets im Inland vertrieben.

Die Klägerin hat, ebenso wie die VG Wort und die VG Bild-Kunst, am 01. Dezember 2015 mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) einen "Gesamtvertrag zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff. UrhG für Tablets für die Zeit ab dem 01.01.2012" abgeschlossen (für die Jahre 2010 und 2011 hat sie mit 23 Vergütungsschuldnern entsprechende Einzelvereinbarungen getroffen, was nach ihren Angaben einer Marktabdeckung von knapp 90 % entspricht) und die dort vereinbarten Vergütungssätze nach § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UrhWG im Bundesanzeiger vom 04.01.2016 als "Gemeinsamen Tarif der ZPÜ, VG-Wort und VG Bild-Kunst über die Vergütung nach den §§ 54, 54 UrhG für Tablets" (Anlage K 6) veröffentlicht. Nach dem Tarif sind für Verbraucher-Tablets i.S.v. Abschnitt 4 des Tarifs von 2010 an progredierende Beträge zu entrichten, zuletzt EUR 7,4375 für jedes im Jahr 2014, EUR 8,75 für jedes ab 01.01.2015 in Verkehr gebrachte Gerät (jeweils zusätzlich gesetzlicher Umsatzsteuer). Für Business-Tablets i.S. von Abschnitt 4 des Tarifs sind niedrigere Vergütungssätze vorgesehen. Die Beklagte ist nicht Mitglied des BITKOM, dem Gesamtvertrag ist sie nicht beigetreten.

Die Klägerin sowie die VG Wort und die VG Bild-Kunst haben sich mit der Beklagten unter dem 22.09./14.10.2014 hinsichtlich sämtlicher Auskunfts- und Vergütungsansprüche gemäß §§ 54 ff. UrhG für Tablets für das Jahr 2011 auf eine Verlängerung der Verjährungsfrist bis 31. Dezember 2017 geeinigt (vgl. Anlage AS 15 in den beigezogenen Akten der Schiedsstelle, Az. Sch-Urh 50/16). Be...

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