Leitsatz (amtlich)
1. Wenn die Patientin eine regelmäßige Blutung angibt, muss der Frauenarzt nicht routinemäßig nach dem Datum der vorletzten Periodenblutung fragen, nur um die Richtigkeit dieser Angabe zu überprüfen.
2. Ein bestimmter medizinischer Befund ist nur dann hinreichend wahrscheinlich, wenn für ihn zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit im Sinne von mehr als 50 % besteht (Anschluss an OLG Köln v. 28.5.2003 - 5 U 77/01, VersR 2004, 247).
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 18.01.2006; Aktenzeichen 3 O 1898/03) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Traunstein vom 18.1.2006 - 3 O 1898/03, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin fordert von der Beklagten, einer niedergelassenen Frauenärztin, Schadenersatz wegen einer nach ihrer Behauptung vorwerfbar nicht erkannten Eileiterschwangerschaft.
Die 1972 geborene Klägerin suchte die Beklagte am 21.6.2002 erstmals auf. Sie klagte über Bauchschmerzen. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt eine Blutung. Die Beklagte verschrieb wegen des Verdachts einer Blasenentzündung ein Antibiotikum.
Am 25.6. und 1.7.2002 suchte die Klägerin die Praxis der Beklagten erneut auf.
Die Karteikarte der Beklagten enthält u.a. über dem Datum 21.6.2002 die Eintragung "L (zwei Buchstaben unleserlich) Zeit" und am 1.7.2002 die Eintragung "LR: vr 2 Wo". Im Anamnesebogen für die Krebsvorsorgeuntersuchung ist in der Rubrik "Path. Gyn. Blutungen z.B.: Zwischen den normalen Regeln,..." die Spalte "nein" angekreuzt (Anlage B 1).
Am 1.8.2002 begab sich die Klägerin wegen starker Schmerzen in die Notaufnahme der Frauenklinik des Landeskrankenhauses S. Dort wurde eine Eileiterschwangerschaft festgestellt und der linke Eileiter operativ entfernt.
In den Behandlungsunterlagen des Landeskrankenhauses vom 1.8.2002 heißt es in der Anamnese "LNR: 21.6.2002 - AW 5 +6" und "Zyklus regelmäßig". Als Diagnose wird festgehalten "V. a. EU links in der 6. Amenorrhoewoche".
Die Klägerin hat vorgebracht, sie sei am 21.6.2002 bereits schwanger gewesen. Sie habe der Beklagten gesagt, dass sie die letzte Regelblutung Anfang Juni gehabt habe. Die Beklagte habe pflichtwidrig einen Schwangerschaftstest beziehungsweise eine sonographische oder röntgenologische Untersuchung unterlassen. In diesem Fall wäre die Eileiterschwangerschaft erkannt worden. Die Notoperation hätte vermieden werden können. Aufgrund des Fehlers der Beklagten könne sie keine Kinder mehr bekommen.
Die Klägerin hat beantragt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 52.000 EUR, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 6.12.2002, hilfsweise seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren künftigen - auch immateriellen - Schäden zu ersetzen, aus den ärztlichen Behandlungsfehlern vom 21.06. 2002 und 2.7.2002.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgebracht, die Klägerin habe sich am 21.6.2002 mit Schmerzen während der Regelblutung vorgestellt und von Blasenbeschwerden berichtet. Eine Eileiterschwangerschaft habe auch zum Zeitpunkt der letzten Vorstellung bei ihr nicht bestanden. Eine Indikation für einen Schwangerschaftstest, eine Sonographie oder weitere Untersuchungen habe nicht bestanden.
Das LG Traunstein hat nach Erholung zweier schriftlicher Gutachten des früheren Direktors der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Klinikums Großhadern, Prof. Dr. H., und der Vernehmung der Zeugen Dr. Andreas S. O. und Dr. Ursula L. die Klage mit Endurteil vom 18.1.2006 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils nimmt der Senat Bezug.
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr Begehren weiter.
Die Klägerin bringt schriftsätzlich vor, sie habe ggü. der Beklagten am 21.6.2002 von einer aktuellen Blutung, nicht von einer aktuellen Regelblutung gesprochen. Sie hätte hierzu als Partei vernommen werden müssen. Zudem trage die Beklagte für die für sie günstige Behauptung, dass sie, die Klägerin, von einer Regelblutung gesprochen habe, die Beweislast.
Sie habe ggü. der Beklagten nicht von Blasenbeschwerden gesprochen, sondern nur gefragt, ob ihre Beschwerden möglicherweise von der Blase herrühren könnten.
Selbst wenn es sich um eine scheinbare Regelblutung gehandelt haben sollte, hätte es sich um eine pathologische Blutung in der Frühschwangerschaft handeln können. Damit habe die Beklagte angesichts der geäußerten Schmerzen rechnen müssen.
Die Beklagte habe nur dann von einer regelmäßigen Blutung ausgehen dürfen, wenn sie Zeitpunkt und Abstand der vorhergehenden Blutungen festgestellt hätte. Da...