Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anrechnung der Altersversorgung auf den Handelsvertreterausgleich (§ 89b Abs. 1 HGB)
Leitsatz (amtlich)
1. Haben Unternehmer und Handelsvertreter keine Vereinbarung über die Anrechnung der vom Unternehmer freiwillig geleisteten Altersversorgung auf den Handelsvertreterausgleich geschlossen, entspricht eine hälftige Anrechnung der Altersversorgung der Billigkeit i.S.d. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB n.F. (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB a.F.), wenn die Fälligkeitsdifferenz zwischen Ausscheiden des Handelsvertreters und dessen Eintritt in den Ruhestand 9 Jahre und 16 Tage beträgt, die Altersversorgung aus Rechtsgründen weder veräußert oder beliehen noch zurückgekauft werden kann, der Handelsvertreter beim Unternehmer 30 Jahre, davon 29 Jahre im Außendienst, davon wiederum ca. 19 Jahre als selbständiger Handelsvertreter beschäftigt war, er bei Ausscheiden kurz vor Vollendung des 56. Lebensjahrs stand und seine berufliche Widereingliederung aufgrund seines beruflichen Lebenswegs erheblich erschwert ist.
2. Steuerliche Vorteile, welche der Unternehmer, hier ein Versicherungs-unternehmen, aus der Altersversorgung gezogen hat, bleiben bei der Be-rücksichtigung des auf den Handelsvertreterausgleichs anzurechnenden Betrags außer Betracht (in Übereinstimmung mit BGH NJW 1966, 1964). Entsprechendes gilt für einen etwaigen Gewinn, den das Unternehmen mit der Altersversorgung erwirtschaftet hat.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 01.06.2010; Aktenzeichen 13 HKO 23641/07) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des LG München I vom 1.6.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger weitere 18.803,39 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 57.520,77 EUR vom 1.8.2007 bis zum 24.9.2009 und aus 18.803,39 EUR seit dem 25.9.2009 zu bezahlen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. In zweiter Instanz streiten die Parteien um die Anrechnung einer Altersversorgung auf den Handelsvertreterausgleich und um die Zinsen auf einen von der Beklagten bereits gezahlten Betrag.
Der jetzt 60 Jahre alte Kläger war bis zur ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 4.7.2005 zum 30.9.2006 für die Beklagte tätig, zunächst ab dem 1.10.1976 als Angestellter und dann aufgrund Vertrags vom 4.12.1987 als selbständiger Handelsvertreter.
Mit Klageschrift vom 14.12.2007 begehrte der Kläger von der Beklagten zunächst im Wege der Stufenklage die Erteilung eines Buchauszugs und die Zahlung der sich aus dem Buchauszug ergebenden restlichen Provisionen. Mit Schriftsatz vom 29.4.2009 erweiterte er die Klage auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs.
Mit Teilurteil des LG München I vom 25.3.2008 wurde die Beklagte verurteilt, einen Buchauszug zu erteilen. Das Urteil ist rechtskräftig, der Buchauszug wird derzeit erstellt.
Über den unbezifferten Antrag des Klägers auf Zahlung der sich aus dem Buchauszug ergebenden restlichen Provisionen hat das LG München I noch nicht entschieden.
Mit Teil-Anerkenntnisurteil vom 26.8.2009 verurteilte das LG München I die Beklagte, an den Kläger einen Handelsvertreterausgleich i.H.v. 38.717,38 EUR zu bezahlen. Der Betrag wurde dem Kläger am 25.9.2009 ausgezahlt.
Soweit der Kläger darüber hinaus weitere 37.606,77 EUR Handelsvertreterausgleich begehrt, hat das LG München I die Klage durch das mit der Berufung angegriffene Teilurteil vom 1.6.2010 abgewiesen. Das Erstgericht hat die von der Beklagten bezahlte Altersversorgung, deren Barwert nach dem Vortrag der Beklagten 37.606,77 EUR beträgt, nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB a.F. auf den Ausgleichsanspruch angerechnet und dies im Wesentlichen damit begründet, dass zwischen der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses und dem Beginn der Altersversorgung ein Zeitraum von lediglich 10 Jahren liege und dem Kläger auch nach Abzug der Altersversorgung mehr als 50 % des zwischen den Parteien unstreitig errechneten Handelsvertreterausgleichsbetrags verbleiben.
Der Kläger verfolgt seinen Klageantrag auf Zahlung des Weiteren Handelsvertreterausgleichs mit der Berufung weiter. Außerdem begehrt er wie bereits in erster Instanz Zinsen für den von der Beklagten i.H.v. 38.717,38 EUR anerkannten Betrag.
Der Kläger beantragt in zweiter Instanz, das Teilurteil des LG München I vom 1.6.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen restlichen Handelsvertreterausgleich i.H.v. 37.606,77 EUR nebst 5 % Fälligkeitszinsen aus 76.324,15 EUR vom 1.10.2006 bis zum 31.7.2007 und Verzugszinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 76.324,15 EUR vom 1.8.2007 bis zum 25.9.2009 und aus 37.606,77 EUR seit dem 26.9.2009 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt in zweiter Instanz, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend auf das Endurteil des LG München I vom 1.6.2010 (Bl. 144/153 d.A.) sowie hinsichtlich des Wei...