Leitsatz (amtlich)
1. Unterbleibt - entgegen der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 155, 318 ff.) - die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH ggü. dem Registergericht, führt dies in entsprechender Anwendung des Haftungsmodells der Unterbilanzhaftung zu einer zeitlich unbeschränkten Haftung der Gesellschafter.
2. Diese Haftung trifft auch den Erwerber eines Geschäftsanteils einer GmbH.
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 20.03.2009; Aktenzeichen 1 HKO 1743/07) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG Traunstein vom 20.3.2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 36.926,53 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 22.5.2008 zu bezahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter und nimmt die Beklagte als alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin in entsprechender Anwendung des Haftungsmodells der Unterbilanzhaftung nach einer Mantelverwendung in Anspruch.
Über das Vermögen der Schuldnerin, der U. GmbH, wurde mit Beschluss des AG Mühldorf am Inn am 8.2.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Schuldnerin war mit notarieller Urkunde vom 3.11.1993 unter der Firma "M. GmbH" mit Sitz in Neubiberg bei München gegründet worden. Geschäftsgegenstand war der Vertrieb von medizinischen Heil-, Hilfs- und Pflegemitteln sowie der Handel mit Waren aller Art. Die Gesellschaft wurde am 28.12.1993 in das Handelsregister beim AG München eingetragen. Am 9.10.1996 übertrugen die Gesellschafter A. und T. ihre Geschäftsanteile jeweils auf den dritten Gesellschafter K.. Nach dem Jahresabschluss zum 31.12.2004 verfügte die Schuldnerin Ende 2003 über keine Aktiva. Am 21.7.2004 beschloss die Gesellschafterversammlung eine Änderung der Firma in "U. GmbH", eine Verlegung des Sitzes der Gesellschaft nach Mühldorf am Inn und eine Änderung des Geschäftsgegenstandes; außerdem wurde K. mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen und S. zur neuen Geschäftsführerin bestellt. Diese Änderungen wurden zur Eintragung im Handelsregister angemeldet und im Handelsregister des AG Traunstein am 17.9.2004 eingetragen. Ab 21.7.2004 war die Schuldnerin wieder mit erweitertem Geschäftszweck operativ tätig. Am 30.12.2005 hat K. den vom ihm gehaltenen Geschäftsanteil i.H.v. DM 50.000 auf die Beklagte übertragen. Am 1. und 21.3.2006 hat die Beklagte als Einlage auf das Stammkapital insgesamt EUR 25.000 eingezahlt. Bisher wurden Forderungen i.H.v. EUR 36.926,53 zur Tabelle festgestellt.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte hafte zumindest in Höhe der bereits festgestellten Forderungen, da die Mantelverwendung durch K. entgegen dem Beschluss des BGH vom 7.7.2003 (BGHZ 155, 318) ggü. dem Registergericht nicht offengelegt worden sei. Stichtag für die Unterbilanzhaftung sei somit derjenige der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 36.926,53 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie ist der Ansicht, eine Mantelverwendung habe nicht vorgelegen. Mit notarieller Urkunde vom 21.7.2004 seien keine Anteile übertragen worden. Die Schuldnerin sei vielmehr lediglich mit ergänztem und erweitertem Geschäftszweck und demselben Gesellschafter K. im Zeitraum vom 21.7.2004 bis zum 30.12.2005 unverändert am Markt tätig gewesen. Zum Zeitpunkt der Anteilsabtretung an die Beklagte am 30.12.2005 seien keine weiteren gesellschaftsrechtlichen Änderungen erfolgt. Selbst wenn eine Mantelverwendung im Jahr 2004 vorgelegen habe, liege kein Rechtsgrund für die Inanspruchnahme der Beklagten vor, da Gründe, die eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 3 GmbHG rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich seien. Andernfalls käme es zu einer unendlichen Haftungsreihe. Bei mehrmaligen Gesellschafterwechseln sei es für den jeweiligen Anteilserwerber nicht ersichtlich, ob er der Gefahr einer Inanspruchnahme aus der Unterbilanzhaftung ausgesetzt ist. Eine dahingehende Überprüfung des Sachverhaltes sei durch Anteilserwerber nicht möglich. Das Risiko, dass es in der Unternehmensgeschichte irgendwann einmal eine Unterbilanzsituation mit möglichen Haftungsfolgen gegeben hat, könne nicht auf einen neuen Gesellschafter abgewälzt werden. Mit der Einzahlung von insgesamt EUR 25.000 als Einlage auf die zweite Hälfte des Stammkapitals sei eine Unterbilanzhaftung jedenfalls erloschen.
Das LG Traunstein, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf die vorgelegten Urkunden, insb. den Jahresabschluss zum 31.12.2004, hatte das LG zwar keine Zweifel, dass der vorm...