Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfolgreiche Berufung wegen unvollständiger Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung in der Vorinstanz

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1-2, 5, §§ 9, 17 Abs. 1-3; StVG § 18 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 115 Nr. 4; PflVG § 1; BGB § 354 Abs. 1; GKG § 21 Abs. 1 S. 1; ZPO § 128 Abs. 2, § 529 Abs. 1 Nr. 1; StVO § 7 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 28.10.2015; Aktenzeichen 20 O 17988/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten eingegangen am 13.11.2015 wird das Endurteil des LG München I vom 28.10.2015 (Az. 20 O 17988/14) samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG München I zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG München I vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz, sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Ersatz von Sach- und Vermögensschäden aus einem Verkehrsunfall geltend. Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am Samstag, den 04.01.2014, gegen 14.20 Uhr auf der G. Straße, Höhe Haus Nummer 73, im Stadtgebiet von M.

Der Ehemann der Klägerin war mit deren Pkw Daimler Benz, amtliches Kennzeichen...81, auf dem linken Fahrstreifen der G. Straße in nordöstlicher Richtung gefahren, als der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Pkw Daimler Benz GL 350, amtliches Kennzeichen...03, vom rechten auf den linken Fahrstreifen wechseln wollte. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 28.10.2015 (Bl. 91/96 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG München I hat nach Beweisaufnahme die Klageforderung im Wesentlichen zugesprochen (EU 1 = Bl. 91 d.A.), ein Abzug erfolgte, weil Teile des Reparaturaufwands den unfallbedingten Schäden nicht zugeordnet werden konnten. Hinsichtlich der Erwägungen des LG wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 94/95 d.A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 03.11.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Oberlandesgericht München am 13.11.2015 eingegangenen Schriftsatz vom 11.11.2015 Berufung eingelegt (Bl. 102/103 d.A.) und diese mit Schriftsatz vom 30.12.2015, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 107/110 d.A.).

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen (BB 1 = Bl. 107 d.A.).

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen (Bl. 106 d.A.).

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 11.02.2016 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 29.02.2016 bestimmt (Bl. 122/123 d.A.). Die Beklagte hat ergänzend beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 26.01.2016, Bl. 119 d.A.), die Klägerin hat sich hierzu nicht geäußert.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 11.01.2016 (Bl. 111/118 d.A.) Bezug genommen. Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

I. Das LG hat entschieden, dass Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz, geltend gemacht in Höhe von 6.041,36 EUR, in Höhe von 5.136,56 EUR bestehen, weil der gegen den Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs sprechende Anscheinsbeweis nicht entkräftet worden sei und deswegen - wegen der umfassenden Sorgfaltspflichten bei einem Fahrstreifenwechsel - dessen alleinige Haftung eingreife (EU 1, 4/5 = Bl. 91, 94/95 d.A.).

Diese Ergebnisse entbehren angesichts unvollständiger Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung einer überzeugenden Grundlage.

1. Die erstinstanzliche Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen (Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) ist zu beanstanden, weil diese weder vollständig, noch uneingeschränkt zutreffend erarbeitet wurden. Deswegen ist der Senat wegen offensichtlicher Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten (BGH WM 2015, 1562; NJW 2005, 1583; r + s 2003, 522) nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden und eine erneute Sachprüfung eröffnet. Angesichts einzelner Angriffe der Berufung auch gegen die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts (BB 2/3 = Bl. 108/109 d.A.), unterliegt eine Prüfung des Senats von Amts wegen keiner Bindung an das Berufungsvorbringen (BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797). Ergänzend wird auf den Hinweis des Senats (v. 11.01.2016, S. 1/2 = Bl. 111/112 d.A.) Bezug genommen.

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