Verfahrensgang

LG Traunstein (Entscheidung vom 04.10.2002; Aktenzeichen 4 O 2153/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 4. Oktober 2002 abgeändert und neu gefasst wie folgt:

I. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von 50.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 06.02.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten der ersten Instanz haben der Kläger 61 %, die Beklagten samtverbindlich 39 % zu tragen.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 75 % die Beklagten samtverbindlich 25 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, soweit nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 ZPO n.F.).

 

Entscheidungsgründe

Mit der Berufung verfolgt der Kläger den in erster Instanz gestellten Antrag zum Schmerzensgeld weiter und begehrt über den vorprozessual bezahlten Betrag von 250.000 DM und im angefochtenen Urteil zugesprochenen Betrag von 25.564,59 Euro ein weiteres Schmerzensgeld von 102.435,41 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 06.02.2002.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie halten das mit dem angefochtenen Urteil weiter zugesprochene Schmerzensgeld für angemessen und ausreichend.

Unter Berücksichtigung der vom BGH aufgeführten Bemessungsgrundlagen (BGH, GrZS 18, 149; Palandt, BGB, 61. Aufl., § 847 Rdn. 11) ist nach Auffassung des Senats über gezahlte 250.000 DM ein weiteres Schmerzensgeld von insgesamt 50.000 Euro in Anbetracht der erlittenen Verletzungen und der Verletzungsfolgen angemessen.

Zur Begründung der Abänderung wird auf Folgendes hingewiesen:

Zutreffend führen die Beklagten aus, dass der Kläger nicht - wie etwa Schwerstbehinderte der Pflegestufe III - auf ständige Pflege angewiesen ist. Jedoch ist hier zu beachten, dass der Kläger mit 19 Jahren durch das besonders leichtfertige Verhalten des Beklagten zu 1), der infolge weitaus überhöhter Geschwindigkeit in geschlossener Ortschaft die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat, für sein ganzes weiteres Lebens in gravierender Weise geschädigt.

Das schwere offene Schädel-Hirntrauma Grad III hat nicht nur zu einer Erblindung des linken Auges und einer Anosmie geführt, sondern durch das hirnorganische Psychosyndrom mit nachfolgender Epilepsie mit sekundär generalisierten Anfällen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf Dauer von 100 % bewirkt. Dabei kommt angesichts des hohen Wertes, den das Grundgesetz in Artikel 1 und 2 der Persönlichkeit und der Würde des Menschen beimisst, der hier vorliegenden Störung der Persönlichkeit vom Prägnanztyp "posttraumatisches dorso-orbitales Frontalhirnsyndrom" mit den ausgeprägten neuropsychologischen Defiziten eine ganz besondere Bedeutung zu (BGHZ 120, 1 ff.).

Die vorprozessuale Zahlung der Beklagten zu 2) von 250.000 DM konnte nur insoweit Berücksichtigung finden, als deshalb nicht wegen eines verzögerlichen Regulierungsverhaltens eine Erhöhung des Schmerzensgeldbetrags vorzunehmen war.

Das ausgeurteilte Schmerzensgeld sprengt nicht die Grenzen des Entschädigungssystems, sondern ordnet sich in den Rahmen der neueren Rechtsprechung bei schwersten Verletzungen mit dauerhaften Beeinträchtigungen ein (vgl. etwa bei deutlich schwereren Verletzungsfolgen LG München I, VersR 2001, 1124; OLG Naumburg, VersR 2003 332).

Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 92, 709, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2677790

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