Leitsatz (amtlich)
Bezahlte Grunderwerbssteuer stellt im Falle des Rücktritts vom Kaufvertrag einen - bei Vorliegen der Voraussetzungen - ersatzfähigen Begleitschaden des Käufers dar. Der Verkäufer ist aber zur Schadensersatzleistung nur Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs gegen die Finanzbehörden auf Rückerstattung der Grunderwerbssteuer gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG verpflichtet.
Verfahrensgang
LG Kempten (Urteil vom 30.03.2010; Aktenzeichen 22 O 1831/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Kempten (Allgäu) vom 30.3.2010 (Az. 22 O 1831/09) abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 76.892,97 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.9.2009 zu bezahlen Zug um Zug gegen Löschung der zugunsten des Klägers an der Wohnung Nr. C 10.05, Grundbuch des AG Kempten für Kempten Band ... Blatt ... eingetragenen Auflassungsvormerkung sowie Löschung der dort zugunsten der Bank ... eingetragenen Grundschuld über 230.000 EUR und 16 % Zinsen
sowie weitere 9.222 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.9.2009 zu bezahlen Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs des Klägers gegen das Finanzamt M. auf Rückerstattung der gemäß Bescheid vom 30.8.2005, Steuernummer ..., bezahlten Grundsteuer wegen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 3.380,79 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.10.2009 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
V. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Rückabwicklung eines Wohnungskaufs sowie Schadensersatz geltend.
Zwischen den Parteien kam aufgrund eines notariellen Angebots des Klägers vom 4.7.2005 (Anlage K 1) und dessen notarieller Annahme durch die Beklagte vom 10.8.2005 (Anlage K 2) ein Kaufvertrag über die streitgegenständliche Eigentumswohnung nebst Tiefgaragenstellplatz zum Preis von insgesamt 263.500 EUR zustande. Die Bezugsfertigkeit des erworbenen Wohn- und Teileigentums wurde bis 30.6.2006, die vollständige Fertigstellung der Wohnanlage bis 30.9.2006 zugesagt.
Beides war bis zur mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 9.3.2010 nicht geschehen.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 29.5.2009 (Anlage K 13) hatte der Kläger der Beklagten eine letzte Frist bis 30.6.2009 gesetzt und für den Fall des erfolglosen Verstreichens den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt sowie die bereits am 10.8.2006 bezahlte Kaufpreisrate i.H.v. 78.930 EUR (Anlage K 4) bis 10.7.2009 zurückgefordert.
Bis dahin war im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Klägers eingetragen sowie - mit Zustimmung der Beklagten - eine Grundschuld zugunsten des Kreditinstituts des Klägers über 230.000 EUR (Anlage K 3).
Mit seiner Klageforderung macht der Kläger neben der Kaufpreisrückforderung die ihm im Zusammenhang mit dem Wohnungserwerb entstandenen Gebühren (Anlagen K 5 - K 11) sowie die bezahlte Grunderwerbssteuer i.H.v. 9.222 EUR (Anlage K 12) und die Verzinsung der entstandenen Kosten sowie des bereits bezahlten Kaufpreises bis 31.8.2009 (Anlage K 14) geltend.
Er bringt hiervon in Abzug den von der Beklagten geleisteten Mietersatz und den dadurch entstandenen Zinsvorteil (Anlage K 15).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen des Erstgerichts in seinem Endurteil vom 30.3.2010 (Bl. 45/53 d.A.) Bezug genommen.
Das Erstgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, und zwar unter Hinweis auf ein Urteil des OLG Brandenburg vom 17.1.2008 (BauR 2008, 1354) auch zur Erstattung der 9.222 EUR Grunderwerbsteuer.
Erforderlich für die Aufhebung der Festsetzung der Grunderwerbsteuer sei die vollständige Rückgängigmachung des Übertragungsaktes. Die hiesige Beklagte müsse ihre ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangen, wozu die eingetragene Grundschuld gelöscht werden müsse. Hierzu sei der Kläger nur Zug um Zug gegen Rückerstattung des bezahlten Kaufpreises verpflichtet. Die Erfüllung dieser Verpflichtung sei ein ungewisses in der Zukunft liegendes Ereignis. Im Hinblick auf den bereits erfolgten Geldabfluss sei von einem gegenwärtigen Schaden des Klägers auszugehen.
Nur gegen Letzteres richtet sich die Berufung der Beklagten.
Dem Kläger stehe gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ein auf die Rückabwicklung des Bauträgerkaufvertrags bedingter Rückerstattungsanspruch gegen die zuständige Finanzbehörde zu, so dass dem Kläger zumindest derzeit kein Schaden entstanden sei.
Insbesondere s...