Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für das Vorliegen einer inkongruenten Kredittilgung. Bewertung der kontokorrentmäßigen Verrechnung von Sollbuchungen und Habenbuchungen als Bargeschäft
Normenkette
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 2, § 142
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 26.06.2009; Aktenzeichen 32 O 22339/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, über den Ausspruch des Teilanerkenntnis- und Endurteils des Landgerichts München I vom 26. Juni 2009 hinaus weitere EUR 2.357,13 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.07.2005 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 4.484,24 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Verwalter über den Nachlass des … Das Nachlassinsolvenzverfahren ist hervorgegangen aus dem Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen …, das auf Eigenantrag des Schuldners, eingegangen bei Gericht am 01.06.2005, am 11.07.2005 eröffnet worden ist.
Der Schuldner unterhielt bei der Beklagten ein Kontokorrentkonto, für welches ihm ein Dispositionskredit über 5.000,00 EUR eingeräumt war. Am 09.03.2005 erhöhte die Beklagte das Dispositionslimit auf 7.500,00 EUR.
Den Dispositionskredit hat der nachmalige Schuldner in wechselnder Höhe in Anspruch genommen. Am 01.03.2005 befand sich das Konto mit 3.015,76 EUR im Soll. Der Sollstand wuchs nachfolgend an. Bei Krediterweiterung am 09.03.2005 war das gewährte Limit von nun 7.500,00 EUR in vollem Umfang (und darüber hinaus) in Anspruch genommen. Bis zur Beantragung des Insolvenzverfahrens wurde der offene Saldo bis auf einen Betrag von 142,87 EUR zurückgeführt.
Der Kläger verlangt im Wege der Anfechtung von der Beklagten Zahlung von 7.500,00 EUR nebst Zinsen. Er meint, der Betrag der als inkongruente Deckung anfechtbaren Rückführung der Kreditlinie sei unter Zugrundelegung des höchsten Sollstandes während des kritischen Zeitraums, nach oben begrenzt durch das Dispolimit, zu ermitteln. Demgegenüber ermittelt die Beklagte den Anfechtungsanspruch als Differenz zwischen dem zu Beginn des Anfechtungszeitraumes vorhandenen Sollstand und dem bei Beantragung des Insolvenzverfahrens vorliegenden Sollstand. Auf den so mit 3.015,76 EUR ermittelten Betrag hat sie im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens einen Betrag von 707,46 EUR bezahlt. Den restlichen Betrag von 2.308,30 EUR hat sie in erster Instanz anerkannt.
Ihrem Anerkenntnis gemäß ist die Beklagte am 26.06.2009 unter Abweisung der weitergehenden Hauptsache zur Zahlung von 2.308,30 EUR nebst Zinsen verurteilt worden.
Mit der Berufung hält der Kläger an seinem weitergehenden Begehren fest. Er fordert mithin noch Zahlung von noch 4.484,24 EUR.
Der Senat hat am 12. Januar 2010 zur Sache verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll (Blatt 66/69 d.A.) wird verwiesen.
Ergänzend wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils und die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung des Klägers erweist sich nur teilweise als begründet.
1.
Da die subjektiven Voraussetzungen der §§131, 133 InsO nicht gegeben sind, kommt eine erfolgreiche Anfechtung nur wegen Inkongruenz gemäß §131 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Betracht.
Verrechnet die Bank im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses eingehende Zahlungen mit dem eingeräumten Kreditrahmen und lässt im Gegenzug weitere Verfügungen ihres Kunden, des späteren Insolvenzschuldners, vereinbarungsgemäß zu, so handelt es sich bei der Verrechnung eingehender Zahlungen um eine kongruente Deckung und um ein einer Anfechtung entzogenes Bargeschäft im Sinne des §142 InsO. Inkongruent sind Verrechnungen nur insoweit, als hierdurch im Ergebnis innerhalb des Anfechtungszeitraums der Kredit tatsächlich zurückgeführt wird, denn die Bank hatte mangels Kreditkündigung noch keinen Anspruch auf Erfüllung. Eine inkongruente Kredittilgung liegt jedoch nur dann und nur in dem Umfang vor, wenn und soweit der Sollstand am Ende des Anfechtungszeitraums niedriger ist als zu dessen Beginn. Der höchste Sollstand während des Anfechtungszeitraums bleibt dagegen außer Betracht. Für die Bewertung der kontokorrentmäßigen Verrechnung von Soll- und Habenbuchungen als Bargeschäft ist die zeitliche Abfolge der Buchungen unerheblich, weshalb es nicht darauf ankommt, ob die Deckung früher oder später entsteht als die Forderungen des Kreditinstituts aus der Ausführung von Überweisungsaufträgen oder Lastschriften (BGH, Urteil vom 25.01.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH, Urteil vom 07.03.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122; BGH, Urteil vom 11.10.2007 – IX ZR 195/04, ZIP 2008, 237; BGH, Urteil vom 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235; BGH, Urteil vom 27.03.2008 – IX ZR ...