Leitsatz (amtlich)
1. Das Gericht, an das eine Sache zurückverwiesen wurde, ist nur an den unmittelbaren Aufhebungsgrund, nicht an Hinweise auf das weitere Verfahren gebunden.
2. Die Berufung nach der seit 1.1.2002 geltenden Regelung der Zivilprozessordnung eröffnet kein zweite Tatsacheninstanz. Sie dient in erster Linie der Fehlerkontrolle. Bei der Überprüfung der tatrichterlichen Auslegung eines Vertrages in erster Instanz ist das Berufungsgericht darauf beschränkt zu prüfen, ob das Erstgericht gegen Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.
3. Für das Berufungsgericht bindende Auslegung der Optionsvereinbarung in einem gewerblichen Mietvertrag „Dem Mieter wird eine Option für eine Verlängerung des Mietverhältnisses um längstens 5 Jahre bei gleichzeitiger Neufestsetzung der Miete eingeräumt.” dahin, dass die Option nur bei „gleichzeitiger Neufestsetzung des Mietzinses wirksam ausgeübt werden kann.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 535; ZPO §§ 513, 546, 563
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 24 O 11259/01) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG München I, 24. Zivilkammer, vom 30.9.2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Änderungen oder Ergänzungen haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung (§§ 511 ff. ZPO) erweist sich als unbegründet, da das Berufungsgericht an die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages durch das Erstgericht gebunden ist.
In der für ein Berufungsurteil gesetzlich vorgeschriebenen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) und auch zulässigen (BVerfG v. 18.5.1996 – 2 BvR 2847/95, NJW 1996, 2785; NJW 1999, 1387 [1388]) Kürze – die sich ferner auch daraus erklärt, dass die Sache in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht sachlich und rechtlich eingehend erörtert wurde (vgl. hierzu Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 313 Rz. 27) wird ausgeführt:
I. Das LG durfte trotz Aufhebung des Endurteils vom 4.3.2002 und der Zurückverweisung mit Senatsurteil vom 28.6.2002 an seiner Auslegung der Verlängerungsklausel unter § 2 Ziff. 2 des Mietvertrages festhalten. Es war an die Auffassung des Senats, die in der Begründung des Urteils vom 28.6.2002 seinen Ausdruck fand, nicht gebunden.
1. Die Zurückverweisung an das LG erfolgte gem. § 538 ZPO. Hinsichtlich des Umfangs der Bindung des Erstgerichts gilt § 563 Abs. 2 ZPO sinngemäß (BGHZ 51, 131 [135] = MDR 1969, 664; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 538 Rz. 30; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 538 Rz. 60). Danach ist die Bindung auf diejenigen Punkte der rechtlichen Würdigung beschränkt, die die Aufhebung unmittelbar herbeigeführt hatten (BGHZ 51, 131 [135] = MDR 1969, 664; BGH v. 18.1.1996 – IX ZR 69/95, BGHZ 132, 6 [10] = MDR 1996, 596). Nicht bindend sind hingegen Hinweise für das weitere Verfahren, auch wenn sie materiell-rechtlicher Art sind (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 538 Rz. 60, § 563 Rz. 3).
2. Grund für die Zurückverweisung an das LG war ein wesentlicher Verfahrensfehler (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das LG hatte mit Beschluss vom 3.12.2001 zu erkennen gegeben, dass es von einer Verlängerung des Mietverhältnisses bei Ausübung der Option auch dann ausgeht, wenn eine Einigung über die künftige Miethöhe nicht erzielt wurde. In der mündlichen Verhandlung vom 14.1.2002 wurde darauf hingewiesen, dass an den im Beschluss vom 3.12.2001 gegebenen Hinweisen festgehalten wird. Die Entscheidung vom 4.3.2002 war ein Überraschungsurteil, da das LG die Optionsklausel nunmehr dahin gehend auslegte, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses durch die Ausübung des Optionsrechts und die gleichzeitige Einigung über den künftigen Mietzins bedingt gewesen sei, ohne den Parteien einen Hinweis auf die geänderte Rechtsauffassung zu geben.
3. Das LG war nur an diese rechtliche Beurteilung des Senats gebunden. Allein sie führte zur Zurückverweisung an das LG. Bei einem entsprechenden Hinweis an die Parteien vor Erlass des aufgehobenen Urteils vom 4.3.2002 wäre eine Zurückverweisung nicht in Betracht gekommen und der Senat wäre schon damals an die Auslegung der Optionsklausel durch das Erstgericht gebunden gewesen (s. nachfolgende Ziff. II).
II. Durch §§ 513, 546 ZPO ist der Senat an die vertretbare Vertragsauslegung durch das Erstgericht gebunden.
1. Durch das ZPO-Reformgesetz vom 27.7.2001 wurde die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts beschränkt. Die Berufung eröffnet nicht mehr eine umfassende zweite Tatsacheninstanz, sondern dient in erster Linie der...