Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildverwechslung in Boulevardzeitung
Leitsatz (amtlich)
1. Beschränkte Nachprüfbarkeit einer Entscheidung der 1. Instanz zur Höhe einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach neuem Berufungsrecht.
2. Eine Geldentschädigung i.H.v. 10.000 Euro für die Veröffentlichung eines Fotos des Betreuers eines Straftäters in Verwechslung mit dem Täter liegt im Rahmen des landgerichtlichen Ermessens i.S.v. § 287 ZPO.
3. Wird das Verlangen auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung wegen Versäumung der Aktualitätsgrenze abgewiesen, dann besteht kein Anspruch des Betroffenen gegen das Presseunternehmen auf Ersatz der vergeblich aufgewendeten Anwaltskosten für die Geltendmachung der Gegendarstellung.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 26.02.2003; Aktenzeichen 21 O 14197/02) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG München I, 21. Zivilkammer, vom 26.2.2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Auf die tatsächlichen Feststellungen des LG im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO). Der Kläger macht einen Anspruch daraus geltend, dass die von der Beklagten verlegte Zeitung einen Bericht über die Tat eines Geisteskranken („Geisteskranker verprügelte Rentnerin auf dem Friedhof”) mit einem Foto des Klägers, des Betreuers des Täters (§ 1896 BGB), versah. Nach Abdruck einer Berichtigung in demselben Blatt verlangte der Kläger in erster Instanz Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Erstattung der Anwaltskosten für die versuchte Durchsetzung eines Gegendarstellungsanspruchs. Die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge ergeben sich aus dem Protokoll. Im Übrigen wird von einer Darstellung des Tatbestandes gem. § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hält die Auffassung des LG für zutreffend und nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug. In der für ein Berufungsurteil gesetzlich vorgeschriebenen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) und auch zulässigen (BVerfG NJW 1996, 2785; 1999, 1387 [1388]) Kürze – die sich auch daraus erklärt, dass die Sache in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat umfassend diskutiert wurde (Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 313 Rz. 27) – ist ergänzend Folgendes auszuführen:
1. Zur Geldentschädigung:
Nach § 513 ZPO n.F. kann die Berufung nur noch darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Damit ist die Handhabung des Erstgerichts bei Ermessensentscheidungen, zu denen auch die Festlegung der Höhe einer Geldentschädigung für einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gehört, einer Nachprüfung durch das Berufungsgericht im Allgemeinen entzogen. Wie im Revisionsrecht ist aber weiterhin zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung vorgelegen haben, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt worden ist, ob die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten wurden und ob alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden haben (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 287 Rz. 11 a.E.; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 513 Rz. 2 i.V.m. § 546 Rz. 14).
Daran gemessen begegnet das Urteil des LG keinen Bedenken. Insbesondere hat es alle wesentlichen Aspekte umfassend gewürdigt und ist auch mit der Höhe der Geldentschädigung im vorgegebenen Rahmen geblieben. Die Entscheidung des OLG Koblenz (OLG Koblenz v. 20.12.1996 – 10 U 1667/95, NJW 1997, 1375 – Schweigen der Hirten) betraf auch aus Sicht des Senats einen deutlich schwerwiegenderen Fall. Dort ging es um die Veröffentlichung eines Fotos des Klägers in der Größe 10 × 23 cm i.V.m. der unwahren Behauptung, er habe sich als Priester Verfehlungen ggü. Minderjährigen zuschulden kommen lassen; der Bericht stand in einer bundesweit vertriebenen Zeitschrift mit einer Auflage von über 1,5 Mio. Exemplaren. Der vom LG im vorliegenden Fall zugesprochene Betrag liegt in dem Bereich der Rspr. des Senats in etwa vergleichbaren Fällen (OLG München, Urt. v. 12.2.19999 – 21 U 6286/98 – Ehefrau, nicht veröffentlicht; KG, Urt. v. 26.2.1988, dargestellt bei Schulze/Stippler-Birk, Schmerzensgeldhöhe in Presse- und Medienprozessen, 1992, S. 65). Die Entscheidung des BGH vom 5.1.1962 (GRUR 1962, 324 = NJW 1962, 1004 – Doppelmörder) dürfte wohl eher nicht mehr als aktuell anzusehen sein. Dort wurde im Zusammenhang mit dem Bericht in einer „Kinoreportage” über einen Mord das Foto eines Seemanns in einer Weise (durch Aufnahme zerteilter Zeitungsausschnitte) gezeigt, die ihn als Täter oder Beteiligten darstellte, der aber mit der Tat nichts zu tun hatte. Dem Betroffenen wurde damals eine Geldentschädigung von nur 1.000 DM zugesprochen.
2. Zu den Anwaltskosten:
Das LG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Rspr. des Sen...