Leitsatz (amtlich)
Hat die Gläubigerversammlung nach § 14 Abs. 1 SchVG 1899 einen gemeinsamen Vertreter bestellt, ist im Wege der Auslegung zu klären, welche Befugnisse dem gemeinsamen Vertreter übertragen sind. Sofern er ermächtigt wurde, im Verhältnis zum Schuldner alle Rechte der Gläubiger geltend zu machen, soweit die Sanierungsbemühungen der Gesellschaft betroffen sind, und die selbständige Geltendmachung dieser Rechte durch die Anleihegläubiger ausgeschlossen wurde, fehlt es Anleihegläubigern, die selbst auf Rückzahlung einer Anleihe klagen, an der Prozessfähigkeit.
Verfahrensgang
LG München II (Aktenzeichen 1 HK O 4769/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 17.08.2017, Az. 1 HK O 4769/16, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin fordert im Urkundsprozess Zahlung einer nach ihrer Ansicht endfälligen Anleihe.
Im Jahr 2007 gab die Beklagte eine Anleihe mit der Wertpapierkennnummer ...3X2 heraus, die zum 09.07.2013 fällig sein sollte. In einer Gläubigerversammlung vom 18.07.2013 wurde u.a. beschlossen, dass die Endfälligkeit auf den 30.06.2016 verschoben werde. Des Weiteren fasste die Versammlung einstimmig folgenden Beschluss:
"Herr Rechtsanwalt Franz W. ... wird als geeigneter gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger bestellt, der
(i) den Sanierungsweg der Gesellschaft begleitet,
(ii) zur Geltendmachung der Rechte der Anleihegläubiger berechtigt ist und
(iii) dessen Aufgaben und Befugnisse sich im Übrigen dem Umfang nach dem SchVG richten.
Solange Herr Rechtsanwalt Franz W. als gemeinsamer Vertreter bestellt ist, sind die einzelnen Anleihegläubiger nicht zur selbständigen Geltendmachung dieser Rechte befugt.
Die Haftung von Herrn Rechtsanwalt Franz W. wird auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit und summenmäßig auf maximal EUR 1 Mio (in Worten: Euro eine Million) begrenzt."
Wegen der Einzelheiten wird ergänzend Bezug genommen auf die Anlage B 1.
Die Beschlüsse vom 18.07.2013 hat die Klägerin angefochten, hilfsweise die Feststellung der Nichtigkeit beantragt. Die Klage wurde vom Landgericht München II mit Endurteil vom 14.12.2016 abgewiesen, die Berufung hiergegen durch das OLG München mit Beschluss vom 01.06.2017, Az. 21 U 39/17, zurückgewiesen.
In einer weiteren Gläubigerversammlung am 22.06.2016 fand ein Antrag, den gemeinsamen Vertreter abzuberufen, keine Mehrheit. Beschlossen wurde hingegen, den Zins der Anleihe auf 1,5 % festzusetzen, die Laufzeit der Anleihe bis 30.06.2021 zu verlängern, sowie die Anwendbarkeit des neuen Schuldverschreibungsgesetzes auf die Anleihe ("opt-in"). Bei der Auszählung der Stimmen wurden die Stimmen der Klägerin und von weiteren Gläubigern wegen der nach Ansicht des Versammlungsleiters rechtsmissbräuchlichen Ausübung der Stimmrechte nicht berücksichtigt. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage B 10.
Eine Auszahlung des Nennbetrags der Anleihe an die Gläubiger erfolgte bislang nicht.
Die Klägerin behauptet, sie halte mindestens 16 Anleihen im Nennwert von je 1.000,00 Euro. Nach ihrer Ansicht sind die Beschlüsse vom 18.07.2013 nichtig. Den Beschluss vom 22.06.2016 über die Änderung der Anleihebedingungen habe die Beklagte nicht oder jedenfalls nicht wirksam vollzogen. Die Klägerin sei trotz der Bestellung des gemeinsamen Vertreters prozessführungsbefugt, da dessen Amt nach drei Jahren geendet habe. Zudem seien dem gemeinsamen Vertreter jedenfalls keine Einzelbefugnisse übertragen worden. Die Klage sei nicht rechtsmissbräuchlich.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
1. Die Beklagte wird im Wege der Urkunden-Teilklage verurteilt, an die Klägerin 16.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von drei Prozent für den Zeitraum zwischen dem 01.07.2015 und dem 30.06.2016 sowie in Höhe von acht Prozent über dem Basiszinssatz aus der Hauptsache ab dem 31.07.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.029,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozent über Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (02.12.2016) zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Klägerin fehle aufgrund der Bestellung des gemeinsamen Vertreters die Prozessführungsbefugnis. Zudem sei die Teilklage unzulässig. Die Klägerin handle rechtsmissbräuchlich, da ihr Direktor, Herr K. ein räuberischer Anleihegläubiger sei und über seinen "C. -Blog" versuche, Druck auf die Beklagte auszüben. Die Anleihen seien nicht fällig, da der Beschluss vom 22.06.2016 wirksam und zudem vollzogen sei.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage - abgesehen von einem Teil der Zinsforderung - durch Urkunden-Vorbehaltsurteil stattgegeben und der Beklagten die Geltendmachung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Die Klage sei im Urkundsprozess statthaft und als Tei...