Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislastumkehr nur bei Marktabschottung
Leitsatz (amtlich)
1. Den Markeninhaber, der eine Produktfälschung behauptet, trifft regelmäßig lediglich eine sekundäre Darlegungslast. Ist er dieser zu den Anhaltspunkten und Umständen, aufgrund derer er vom Vorliegen einer Produktfälschung ausgeht, nachgekommen, so ist die weitere Beweisführung Sache des grundsätzlich für die eingetretene Erschöpfung beweispflichtigen Zeichenverwenders, und zwar auch dann, wenn es ihm an den dafür notwendigen Kenntnissen fehlt.
2. Ob und inwieweit der für den Fall des Parallelimports aufgestellte Grundsatz, dass bei der Gefahr einer Marktabschottung eine Beweislastumkehr eintritt, auch für den Fall einer vom Markeninhaber behaupteten Produktfälschung Anwendung findet, ist streitig. Jedenfalls der dem Markeninhaber im Fall des Parallelimports obliegende Nachweis, dass die Waren ursprünglich von ihm bzw. mit seiner Zustimmung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht wurden und aus diesem Grund Erschöpfung ausscheidet, kann von demjenigen, der eine Produktfälschung behauptet und damit zum Ausdruck bringt, dass die fraglichen Waren überhaupt nicht mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurden, nicht geführt werden.
3. Die an den Vortrag des für die Gefahr der Marktabschottung beweispflichtigen Zeichenverwenders gestellten Anforderungen haben den Zweck der angestrebten Modifizierung der Beweislastregeln zu berücksichtigen, nämlich zu verhindern, dass der Markeninhaber bei Offenlegung der Bezugsquelle im Prozess in die Lage versetzt wird, diese Quelle zu verstopfen. Es ist daher nicht generell und abstrakt zu überprüfen, ob der Markeninhaber ein Vertriebssystem unterhält (oder im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs unterhalten hat), welches kartellrechtlichen Bedenken unterfallen könnte, sondern vorrangig die Frage zu klären, ob eine unter "normalen" Umständen anzuwendende Beweislastverteilung selbst die Gefahr der Marktabschottung begründet, weil der seitens des Zeichenverwenders zu führende Nachweis der Lieferkette eine solche Marktabschottung nach sich ziehen könnte.
Normenkette
UMV 2009 Art. 9, 13
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 33 O 8245/17) |
Tenor
I. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22.01.2019, Az.: 33 O 8245/17, werden zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 22.01.2019, Az.: 33 O 8245/17, unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Übrigen abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere im Falle der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, Schuhe, die mit den Marken
"CONVERSE"
und/oder
((Abbildung))
und/oder
((Abbildung))
gekennzeichnet sind, in der Europäischen Union anzubieten und/oder anbieten zu lassen, in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen oder zu den vorstehend genannten Zwecken zu besitzen, sofern diese Waren nicht durch die Klägerin oder mit ihrer Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.
2. Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, der Klägerin bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland Auskunft zu erteilen über
a) Namen und Adressen des Herstellers und/oder Lieferanten der Waren gemäß Ziffer 1.,
b) Namen und Adressen sonstiger Vorbesitzer der Waren gemäß Ziffer 1.,
c) Menge der bestellten, eingeführten, erhaltenen und ausgelieferten Waren gemäß Ziffer 1.,
d) die Angebots-/Lieferzeiten sowie die Angebots-/Lieferpreise der Waren gemäß Ziffer 1.,
e) den Umfang der für die Waren gemäß Ziffer 1. betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum, Verbreitungsgebiet und Empfänger,
f) die für Waren gemäß Ziffer 1. nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, den erzielten Bruttoumsatz und den erzielten Gewinn,
dies alles unter Vorlage gut lesbarer Kopien, insbesondere der Bestellschreiben an den Lieferanten, dessen Auftragsbestätigungen, der Lieferscheinrechnungen sowie der Lieferscheine/-rechnungen an die gewerblichen Abnehmer.
3. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.429,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 26.07.2017 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch gegenüber der Klägerin wegen der von ihnen in der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen Schuhe gemäß Ziffer 1. zum Schadensersatz verpflichtet sind.
5. Der Klägerin wird gestattet, nach Rechtskraft des Urteils ein Kurzrubrum sowie den Tenor des Urteils durch eine viertelseitige Anzeige in eine...