Leitsatz (amtlich)
1. Hat die eine Kapitaleinlage obligatorisch (teil-)finanzierende Bank Kenntnis davon, dass der um einen Kredit nachsuchende Anlageinteressent über einen für die Anlageentscheidung wesentlichen und der Bank bekannten Umstand der Anlage nicht informiert ist, so obliegt der Bank im vorvertraglichen Schuldverhältnis zu ihrem Kunden aus dem Gesichtspunkt des Wissensvorsprungs eine eigene Pflicht, das Wissensdefizit ihres Kunden durch Aufklärung zu beseitigen.
2. Die eine Kapitalanlage (teil-)finanzierende Bank, die im Rahmen des Anlagekonzeptes eine wesentliche Rolle übernommen hat, trifft eine eigene Aufklärungspflicht ggü. dem Anlageinteressenten auch wegen Überschreitens der Kreditgeberrolle.
3. Macht ein Anleger gegen die die Anlage (teil-)finanzierende Bank, die auch wegen behaupteter Prospektverantwortlichkeit und behaupteter Prospektfehler des Anlageprospektes Musterbeklagte im Musterverfahren nach dem KapMuG ist, einen Schadensersatzanspruch geltend und stützt der Anleger sein Klagebegehren auf mehrere Haftungsgründe, so kommt eine Verfahrensausetzung nach § 7 Abs. 1 KapMuG nur wegen desjenigen Haftungsgrundes in Betracht, der Gegenstand eines Musterverfahrens nach dem KapMuG sein kann.
4. Ist - was vorrangig zu klären ist - dem Klagebegehren schon aus einem Haftungsgrund, der nicht Gegenstand eines Musterverfahrens nach dem KapMuG sein kann, stattzugeben, so kommt eine Verfahrensaussetzung nach § 7 Abs. 1 KapMuG nicht in Betracht; vielmehr ist über die Klage abschließend durch Urteil zu entscheiden.
Normenkette
KapMuG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 15.01.2008; Aktenzeichen 4 O 16537/06) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten zu 3) wird das Grund- und Teilurteil des LG München I vom 15.1.2008 geändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte zu 3) wird verurteilt, an den Kläger 34.200 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 1.7.2007 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu 3) hat den Kläger von etwaigen Nachteilen (insbesondere Säumniszinsen) freizustellen, die dieser dadurch erleidet, dass er von den Finanzbehörden nicht sogleich ohne Berücksichtigung seiner am 3.10.2004 gezeichneten Beteiligung an der ... steuerlich veranlagt worden ist.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagten zu 3) gegen den Kläger keinerlei Forderungen, die unmittelbar oder mittelbar aus der Finanzierung der vom Kläger am 3.10.2004 gezeichneten Beteiligung an der ... im Nennwert von 60.000 EUR, insbesondere aus den Darlehensverhältnissen mit den Darlehensnummern ... (über 27.300 EUR) und ... resultieren, zustehen.
4. Die Verurteilung in Ziff. 1. bis 3. erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte des Klägers aus der oben genannten treuhänderischen Beteiligung des Klägers an der ... im Nennwert von 60.000 EUR.
5. Im Übrigen wird die Klage im Verhältnis zur Beklagten zu 3) abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten zu 3) wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den Gerichtskosten erster Instanz und den außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz tragen der Kläger 75 % und die Beklagte zu 3) 25 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) erster Instanz tragen der Kläger und die Beklagte zu 3) jeweils die Hälfte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 73.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt von ursprünglich drei Beklagten im vorliegenden Verfahren noch die Beklagte zu 3) wegen behaupteter Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Zeichnung seiner Beteiligung an der F. Medienfonds ... KG (im Folgenden: V. KG) auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Beklagte zu 1) war Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Fondsgesellschaft sowie Geschäftsführer der Fondsinitiatorin und Prospektherausgeberin V. GmbH. Die gegen ihn als Gesamtschuldner gerichtete Klage hat das LG am 15.1.2008 abgetrennt (Az. nun: 4 O 1683/08). Die Beklagte zu 2) war neben anderen mit dem Vertrieb der Fondsanteile befasst und hat die Beteiligung des Klägers vermittelt. Die gegen sie gerichtete Klage hat das LG mit rechtskräftigem Teilurteil vom 20.4.2007 abgewiesen. Die Beklagte zu 3) hat die Beteiligung des Klägers teilfinanziert. Von ihr fordert der Kläger Schadensersatz zum einen unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im engeren Sinne mit der Begründung, der für die Anlage herausgegebene und (auch) von der Beklagten zu 3) zu verantwortende Prospekt sei inhaltlich aus mehreren Gründen falsch, und zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflichtverletzung bei Eingehung des Darlehensvertrages.
Der Kläger zeichnete nach fernmündlichem Kontakt und postalischem Schriftverkehr mit der f...