Leitsatz (amtlich)

1. Macht ein Anleger gegen den Musterbeklagten einen Schadensersatzanspruch geltend und stützt der Anleger sein Klagebegehren auf mehrere Haftungsgründe, so kommt eine Verfahrensausetzung nach § 7 Abs. 1 KapMuG nur wegen desjenigen Haftungsgrundes in Betracht, der Gegenstand eines Musterverfahrens nach dem KapMuG sein kann.

2. Eine Aussetzungsentscheidung nach § 7 Abs. 1 KapMuG unterliegt trotz § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG der sofortigen Beschwerde nach § 252 ZPO, wenn das Erstgericht die Aussetzungsentscheidung auch auf den Haftungsgrunderstreckt, der nicht Gegenstand eines Musterverfahrens nach dem KapMuG sein kann.

3. Ist - was vorrangig zu klären ist - dem Klagebegehren schon aus einem Haftungsgrund, der nicht Gegenstand eines Musterverfahrens nach dem KapMuG sein kann, stattzugeben, so kommt eine Verfahrensaussetzung nach § 7 Abs. 1 KapMuG nicht in Betracht.

 

Normenkette

KapMuG § 7 Abs. 1 S. 4; ZPO § 252

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 18.05.2010)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG München I vom 18.5.2010 aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht ohne Kosten.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit der von der Klägerin am 8.12.2004 gezeichneten Beteiligung an der F. Medienfonds ... KG (im Folgenden kurz: V. 4 KG) und dem konzeptionsgemäß hierfür mit der Beklagten eingegangenen Darlehensvertrag.

Sie stützt ihre Klage zum einen auf einen behaupteten Anspruch aus Prospekthaftung im engeren Sinne mit der Begründung, der für die Anlage herausgegebene und (auch) von der Beklagten zu verantwortende Prospekt sei inhaltlich aus mehreren Gründen falsch, zum anderen auf einen behaupteten Anspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung bei Eingehung des Darlehensvertrages, § 311 Abs. 2 BGB.

Gesellschaftszweck der V. 4 KG ist die weltweite Entwicklung, (Co-)Produktion, Verwertung und Vermarktung und der Vertrieb von Kino-, TV-und Musikproduktionen sowie anderer audiovisueller Produktionen nebst Nebenrechten. Nach dem Inhalt des Investitionsplanes (Seiten 63 - 65 des Prospekts) waren nach Abzug der emissionsbedingten Nebenkosten von 11,89 % des Kommanditkapitals sowie der laufenden Verwaltungskosten von 0,91 % des Kommanditkapitals (insgesamt somit 12,8 % sog. weiche Kosten) 87,2 % des Kommanditkapitals als Produktionskosten zu investieren. Die Fondsgesellschaft hatte für jedes Filmprojekt einen Produktionsdienstleister mit der Durchführung der Filmherstellung zu beauftragen, der seinerseits die Filmherstellung im Wege der sog. "unechten Auftragsproduktion" durchzuführen hatte (S. 11 sowie Seiten 88/89 des Prospekts). Nach Abschluss des jeweiligen Produktionsdienstleistungsvertrages sollten die Produktionskosten in der Regel im Voraus und in voller Höhe von der Fondsgesellschaft an den jeweiligen Produktionsdienstleister bezahlt werden, allerdings erst dann, wenn die nach der Fondskonzeption zu erbringenden Sicherheiten vorlagen und die Gelder daher vom Mittelverwendungskontrolleur freigegeben worden waren. Geplant war weiter, dass die Fondsgesellschaft je Projekt mit einem Lizenznehmer einen Lizenzvertrag abschließt, in dem auch die vom Lizenznehmer spätestens am 30.11.2014 an den Fonds zu leistende Schlusszahlung fest vereinbart werden sollte (S. 12/13 sowie S. 90 des Prospekts). Als zentrales, die Bezeichnung als "Garantiefonds" veranlassendes Sicherungselement des Anlagemodells war die - im Prospekt der V. 4 KG näher beschriebene - Schuldübernahme durch die Beklagte vorgesehen. Gegen Zahlung eines Entgelts sollte danach die Beklagte die Verpflichtung des Lizenznehmers zur Erbringung der Schlusszahlung übernehmen, und zwar in Höhe eines Betrages von (maximal) 115 % der Bezugsgröße, die definiert wird als der Anteil der Gesamtkosten des vom jeweiligen Lizenznehmer übernommenen Projekts am gesamten Kommanditkapital ohne Agio (S. 13 sowie Seiten 90/91 des Prospekts). Die Höhe des vom Lizenznehmer zum Zwecke des Wirksamwerdens der Schuldübernahme vorab zu zahlenden Entgelts ist im Prospekt nicht genannt. Zu leisten war unstreitig der Barwert der Schlusszahlung, für alle Projekte des Fonds zusammen ein Betrag i.H.v gerundet 70 % des Kommanditkapitals. Die Schuldübernahme sichert zudem auch die Rückzahlung des am 30.11.2014 endfälligen und mit - bis zu diesem Stichtag gestundeten - Zinsen von nominal 7,475 % p.a. zu verzinsenden, obligatorischen Anteilsfinanzierungsdarlehens des Anlegers ab (Seiten 6 und 95 des Prospekts).

Die Klägerin trägt u.a. vor, dass der zur Begleichung des Schuldübernahmeentgelts erforderliche Betrag tatsächlich aus dem von den Anlegern aufgebrachten Fondskapital bestritten worden sei. In einer juristischen Sekunde seien die Fondsgelder an die Produktionsdienstleistungsgesellschaft, die Investitionskosten von der Produktionsdienstleisterin an die Lizenznehmerin und das Schuldübernahmeentgelt von der Lizenznehmerin an die Beklagte im Wege eines Buchungskreises au...

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