Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine Schiedsvereinbarung - Beweislastumkehr bei Warenfehlbestand

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vereinbaren die Parteien eines Handelsvertretervertrages, einen Schiedsvertrag abzuschließen, liegt darin noch keine Schiedsvereinbarung nach § 1029 Abs. 1 ZPO.

2. Unterzeichnet der Handelsvertreter eine Inventurliste, kommt in einem späteren Prozess, in dem der Handelsvertreter auf Ausgleich eines Warenfehlbestandes in Anspruch genommen wird, eine Beweislastumkehr in Betracht.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.03.2017, Az. 14 O 20845/16 aufgehoben.

II. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht München I zurückverwiesen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Normenkette

ZPO § 1029 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München (Urteil vom 17.03.2017; Aktenzeichen 14 O 20845/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.03.2017, Az. 14 O 20845/16 aufgehoben.

II. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht München I zurückverwiesen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung für Warenbestandsminderungen und einen Kassenfehlbestand auf Grundlage eines zwischen den Parteien bis zum 31.01.2016 bestehenden Handelsvertretervertrags.

Am 17.08.2012 schlossen die Parteien einen Handelsvertretervertrag (Anlage K1), der u.a. folgende Regelungen enthielt:

"§ 18 Nr. 2 Für alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertragsverhältnis ist bei Vollkaufleuten ausschließlich zuständig das Amtsgericht bzw. das Landgericht München.

§ 18 Nr. 3 Zur Regelung etwaiger Streitigkeiten aus diesem Vertrag schließen die Parteien einen Schiedsvertrag auf besonderem Blatt ab."

Ein gesonderter Schiedsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Bei einer Inventur am 30.01.2016, an der der Beklagte teilnahm, wurde eine Inventurliste erstellt, in welcher der Ist-Bestand der einzelnen Waren erfasst wurde; diese Liste hat der Beklagte mit der Bemerkung "Inventur akzeptiert" unterzeichnet (Anlage K3). Hieraus errechnete die Klägerin einen Warenfehlbestand.

Die Klägerin behauptet, der Warenfehlbestand zuzüglich eines fehlenden Kassenbestandes betrage 110.691,58 EUR. Davon bringt sie eine Zahlung von Dritten in Höhe von 5.311,24 EUR in Abzug, erklärt die Aufrechnung gegen einen Provisionsanspruch des Beklagten in Höhe von 9.539,53 EUR und macht einen Anspruch in Höhe von 95.840,81 EUR geltend.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 17.03.2017 (Bl. 52 d. A.) die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Regelung in § 18 Nr. 3 des Handelsvertretervertrags eine wirksame Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 Abs. 2 2. Alternative ZPO sei.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 12.04.2017 (Bl. 72/73 d. A.) Berufung gegen das Endurteil eingelegt.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren,

das Endurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Aufhebung des Endurteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht.

1. Bei der Regelung in § 18 Nr. 3 des Handelsvertretervertrages handelt es sich um keine Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 Abs. 1 ZPO.

1.1. Bei einer Schiedsvereinbarung handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen den Parteien, dass diese sich einer schiedsrichterlichen Entscheidung unterwerfen und damit den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ausschließen; hiervon sind die Vereinbarungen über das schiedsrichterliche Verfahren zu unterscheiden (Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 1029 Rdnr. 11).

1.2. Eine derartige Vereinbarung haben die Parteien vorliegend nicht getroffen. In der Regelung in § 18 Nr. 3 des Handelsvertretervertrags haben die Parteien lediglich zum Ausdruck gebracht, eine Schiedsvereinbarung abschließen zu wollen. Selbst wenn man darin eine Verpflichtung zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung sehen würde, läge noch keine Schiedsvereinbarung vor (Geimer, a.a.O., Rdnr. 2). Nach § 18 Nr. 3 des Handelsvertretervertrages "schließen die Parteien einen Schiedsvertrag auf besonderem Blatt ab". Damit haben die Parteien lediglich ihren Willen bekundet, zur Regelung etwaiger Streitigkeiten aus dem Handelsvertretervertrag einen Schiedsvertrag abzuschließen, sie haben diesen jedoch noch nicht abgeschlossen.

Die Regelung im Handelsvertretervertrag weicht insoweit maßgeblich von der Klausel ab, die der Entscheidung des OLG Hamm vom 18.07.2007 zugrunde lag; dort war in dem Vertrag geregelt, dass sich die Parteien für den Fall von Streitigkeiten aus dem Vertrag einem Schiedsgericht unterwerfen (OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2007, 8 Sch 2/07, juris Tz. 3). Auch dem Urteil des ...

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