Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines Bauunternehmers aus Vertiefung bei Beschädigung einer nachbarlichen Garage durch Absenkungen
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich trifft jeden der an einer Grundstücksvertiefung mitwirkenden Beteiligten eine eigenverantwortliche Prüfungspflicht mit der Folge, dass er bei einer Verletzung dieser Pflicht auf Schadensersatz haftet.
2. Zur Frage der Anforderungen an eine solche Sorgfaltspflicht bei Arbeiten an einem Hanggrundstück und zum Ausschluss der Haftung, wenn sich ein Bauunternehmer auf den Gründungsvorschlag des vom Bauherrn bestellten Sachverständigen verlässt.
Normenkette
BGB §§ 31, 823, 909
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 16.10.2002; Aktenzeichen 5 O 1852/97) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des LG München II, 5. Zivilkammer vom 16.10.2002 sowie das Versäumnisurteil dieses Gerichts vom 7.5.1997 aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten veranlassten Kosten; diese trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenpartei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des z u vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Senat begründet das Urteil gem. § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO wie folgt:
Tatbestand
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen Beschädigung einer Garage durch von der Beklagten auf dem Nachbargrundstück durchgeführte Tiefbauarbeiten.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des LG im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat das von ihm am 7.5.1997 erlassene Versäumnisurteil insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte zur Zahlung von 22.101,40 Euro nebst Zinsen verurteilt wurde.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte beantragt, unter teilweise Änderung des landgerichtlichen Urteils die Klage auch insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 24.1.2003 (Bl. 297/305 d.A.), auf die Berufungserwiderung des Klägers vom 1.3.2003 (Bl. 309/314 d.A.) und die weiteren Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.
Der Senat hat zusätzlich Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen T., F., K.S., Dr. St., S. und R. sowie durch Anordnung einer schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage durch den Zeugen H. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4.7.2003 (Bl. 353/367 d.A.) sowie auf die schriftlichen Angaben des Zeugen H. vom 4.7.2003 (Bl. 349/352 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte weder aufgrund §§ 823 Abs. 2, 909, 31 BGB, noch aufgrund § 823 Abs. 1 BGB oder einem anderen Rechtsgrund zu, da die Beklagte nicht schuldhaft gehandelt hat.
In der für ein Berufungsurteil gesetzlich vorgeschriebenen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) und zulässigen (BVerfG NJW 1996, 2785; 1999, 1387 [1388]) Kürze – die sich auch daraus erklärt, dass die Sache in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sachlich und rechtlich eingehend erörtert wurde (vgl. hierzu Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 313 Rz. 27) – wird ausgeführt:
1. Für die Fälle, in denen einem Grundstück infolge einer Vertiefung die erforderliche Stütze verloren geht, kommt § 823 Abs. 2 i.V.m. § 909 BGB als Haftungsgrundlage in Betracht.
a) Die Haftung nach §§ 823 Abs. 2, 909 BGB kann auch die Beklagte als die mit der Bauausführung beauftragte Bauunternehmerin treffen, wenn diese hätte voraussehen müssen, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verlieren könnte. Grundsätzlich trifft jeden der in der Vertiefung mitwirkenden Beteiligten eine eigenverantwortliche Prüfungspflicht. Wenn sein Beitrag an der Vertiefung pflichtwidrig und schuldhaft ist, haftet er nach §§ 823 Abs. 2, 909 BGB auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens (vgl. BGH NJW 1996, 3205 [3206]; v. 4.7.1980 – V ZR 240/77, MDR 1981, 129 = NJW 1981, 50 [51] m.w.N.).
Die Entscheidung, an der Vertiefung des Grundstücks in der geschehenen Weise mitzuwirken, ist von einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten i.S.d. § 31 BGB getroffen worden. § 31 BGB ist auf die Rechtsform, in der die Beklagte ihren Betrieb führt, entspr. anwendbar (vgl. BGH NJW 1996, 3205 [3207]; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 31 Rz. 3).
b) Die Beklagte hat nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, die sich an den berufsspezifischen Kenntnissen und Erfahrungen eines Bauunternehmers, hier des Betriebsführers der Beklagten, ausrichtet, vorwerfbar außer Acht gelassen (vgl. § 276 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.).
Die Beklagte hat hierzu ihre Berufung auf begründete Angriffe gegen das Ersturteil gestützt. D...