Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlaßverbindlichkeiten, Erblasser, Vergütungsanspruch, Abfindungsanspruch, Anschlußberufung, Kündigungserklärung, Ausscheiden eines Gesellschafters, Anmeldung zur Insolvenztabelle, Dienstvertrag, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Insolvenzforderung, Gemeinschaftspraxis, Einrede der Verjährung, Verjährungsfrist, Anlagenkonvolut, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Gesellschaftsvertrag, Landgerichte, Im Insolvenzverfahren, Praxisgemeinschaft
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 06.05.2022; Aktenzeichen 41 O 17465/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 6.5.2022 (Az.: 41 O 17465/20) wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das genannte Urteil im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen ergänzt wie folgt: Es wird festgestellt, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des Dr. R. D. eine weitere Insolvenzforderung in Höhe von 163.439,11 EUR zusteht.
3. Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen und die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 9% und der Beklagte 91% zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Feststellung von Ansprüchen zur Insolvenztabelle.
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des am ... 2018 verstorbenen Zahnarztes Dr. D. [im folgenden: Erblasser]. Der Erblasser wurde zunächst von seiner Ehefrau R. D. beerbt. Diese hat die Erbschaft im September 2018 ausgeschlagen. Auf Antrag der nachberufenen Ersatzerben wurde am 15.4.2019 das Nachlassinsolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers unter Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter eröffnet (vgl. Anlage K 3).
Der Erblasser betrieb zusammen mit dem früheren Kläger Dr. P. M. [im folgenden nur noch: Kläger] eine Zahnarztpraxis. Dem lag der "Vertrag über die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis" zwischen dem Kläger und dem Erblasser vom 15.1.1986 (Anlage K 1) zugrunde, in dem es auszugsweise heißt:
§ 1 Vertragszweck. 1. Zweck der Gesellschaft ist:
a) die Führung einer zahnärztlichen Praxis und die Versorgung der Patienten
b) gemeinsame Nutzung von Einrichtungsgegenständen, zahnmedizinisch-technischen Geräten, Instrumenten etc.
c) die Anstellung gemeinschaftlicher Mitarbeiter ...
§ 2 Praxisräume. 1. Die Gesellschaft nutzt die Räume des Hauses in K., ..., soweit dieser Bestandteil der zahnärztlichen Praxis von Herrn Dr. D. sind. ...
§ 3 Einrichtungen. ...
2. Alle künftig angeschafften Einrichtungsgegenstände, Arbeitsgeräte und Materialien gehen in das Eigentum von Herrn Dr. D. über.
Falls einer der Gesellschafter ohne das Einverständnis des Partners Einrichtungsgegenstände oder Geräte anschaffen will, kann er dies auf eigene Kosten tun, wobei dann diese Gegenstände in sein alleiniges Eigentum übergehen.
§ 4 Aufbringung der Mittel. 1. Herr Dr. D. verkauft aus seinem Praxisvermögen an Herrn Dr. M. zu Alleineigentum folgende Einrichtungsgegenstände: ... Summe: DM 250.000,-.
2. Die übrige Einrichtung, Instrumente sowie Praxisräume bleiben jedoch ausschließlich das Eigentum von Herrn Dr. D. Gemeinschaftliches Eigentum besteht nicht.
3. An den laufenden Betriebskosten der Praxisgemeinschaft ist Herr Dr. M. nicht beteiligt. ...
4. Sämtliche Ersatzbeschaffungen von Praxiseinrichtungsgegenständen erfolgen ausschließlich durch Herrn Dr. D.. Das gilt auch für den Ersatz von Einrichtungsgegenständen, die sich im Alleineigentum von Herrn Dr. M. befinden. ...
§ 6 Honorar. Herr Dr. M. wird ab 1.1.1986 mit 35% ... aus seinem Umsatz an zahnärztlicher Leistung (ohne Labor) beteiligt. ...
§ 9 Geschäftsführung der Gesellschaft. Die Geschäftsführung der Gesellschaft wird von Herrn Dr. D. wahrgenommen, jedoch besitzt Herr Dr. M. ein umfassendes Mitspracherecht.
§ 10 Vertretung der Gesellschaft. Die Praxisgemeinschaft wird in den gemeinschaftlichen Anliegen von Herrn Dr. D. rechtsgeschäftlich vertreten.
§ 11 Ausscheiden eines Gesellschafters. 1. Herr Dr. M. kann aus der Gesellschaft ausscheiden.
2. Als Ausscheidensgründe kommen insbesondere in Betracht: Kündigung seitens Herrn Dr. D. (Frist: 6 Monate), Verlust der Approbation, Invalidität (dauernde Berufsunfähigkeit) sowie Tod.
3. Herr Dr. M. kann seine Teilnahme an der Praxisgemeinschaft mit 6-monatiger Frist schriftlich gegenüber dem anderen Gesellschafter kündigen. Das Recht zur fristlosen Kündigung bleibt vorbehalt...