Leitsatz (amtlich)
1. Reichweite einer Einwilligung in die Aufdeckung der Anonymität und die Veröffentlichung eines Fotos nach Angriffen von Punkern auf den Betreffenden wegen dessen Vorgehen gegen einen Szenetreff.
2. Beurteilung der Schwere eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch einen Zeitungsartikel, in welchem dem Kläger vorgeworfen wird, er habe die Angriffe von Punkern provoziert.
Normenkette
BGB §§ 823, 1004
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 9 O 23236/00) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG München I, 9. Zivilkammer, vom 25.4.2001 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.600 DM = 5.419,69 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von den Beklagten Geldentschädigung im Zusammenhang mit der Veröffentlichung mehrerer Zeitungsartikel in der „Augsburger Allgemeinen”.
I. Der Kläger ist Jurist und arbeitet inzwischen als Rechtsanwalt; die Beklagte zu 2) ist Verlegerin der täglich erscheinenden „Augsburger Allgemeine”, für die der Beklagte zu 1) als Journalist verantwortlicher Redakteur für „Polizei und Gericht” arbeitet. In der Silvesternacht des Jahreswechsels 1997/98 fand in der im Augsburger Stadtteil B.-Nord gelegenen Diskothek „S.” eine „Große Abschiedsparty” statt, nachdem der in der Nachbarschaft dieser Gaststätte lebende Kläger mit verwaltungsrechtlichen Mitteln die Schließung der Diskothek erreicht hatte, da diese nicht mit den gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigungen betrieben wurde. Ausgehend von dieser Diskothek kam es in der Silvesternacht 1997/98 zu erheblichen Ausschreitungen gegen das Anwesen des Klägers und dessen Person.
In ihrer Ausgabe vom 2.1.1998 berichtete die „Augsburger Allgemeine” in einem Artikel (Anlage K 2) unter der Überschrift „Knalleffekte zum Jahreswechsel” u.a. über die Ausschreitungen gegen den Kläger, der als „Nachbar H.G.” bezeichnet wurde.
Noch am selben Tag schickte der Kläger einen als „Leserbrief und Gegendarstellung” bezeichneten Brief (Anlage B 1 = K 24) an die „Augsburger Allgemeine Zeitung”. Auf S. 2 oben unterschrieb der Kläger wie folgt:
„H.M.G.
Jurist
H.-Str. …
… Augsburg
Tel.: …”
Danach enthielt das Schreiben unter der Überschrift „Anmerkung für die „AZ” u.a. folgende Passagen:
„… 1. Ihr Redakteur K.U. war zusammen mit einem AZ-Photographen am Donnerstag 1.1. zwischen 1.00 und 2.00 längere Zeit auf meinem Grundstück. Ihr Photograph hat ca. ein Dutzend Photos von mir und den mir durch „S.”-Punker verursachten Vandalismus-Schäden gemacht. Statt eines dieser Photos veröffentlichten Sie zum zweiten Mal ein geschöntes, madonnenhaftes Portrait-Bild des Wirtes H. Als ich diesen am Mittwoch 31.12.1997 um 23.00 Uhr anrief und verzweifelt um Hilfe gegen die 30 Angreifer unter seinen Gästen bat, erwiderte er: ‚Ich und mein Personal haben für sowas jetzt keine Zeit. Dafür ist viel zu viel Betrieb.’”
2. Bitte verdrehen Sie nicht den Sinnzusammenhang meines Leserbriefes auf S. 1, indem Sie ihn kürzen. Nach so viel einseitiger Desinformation zugunsten eines illegalen Disko-Betriebes, ist es die Augsburger Allgemeine den B. Bürgern schuldig, auch einmal ihre Meinung ungekürzt darzustellen.”
Noch am 2.1.1998 rief der Beklagte zu 1) nach Erhalt dieses Schreibens beim Kläger an und teilte ihm mit, die Beklagte zu 2) werde das Schreiben nicht veröffentlichen. Da sich der Beklagte zu 1) für den rechtlichen Hintergrund der Schließung der Diskothek „S.” interessierte, übersandte der Kläger dem Beklagten zu 1) seinen Schriftwechsel mit dem Ordnungsamt der Stadt Augsburg. Am 8.1.1998 berichtete die „Augsburger Allgemeine” unter der Überschrift „W. Reisser für Randale mitverantwortlich gemacht” und der kleiner gedruckten Unterüberschrift „S.-Nachbar greift Ordnungsreferenten an” erneut über die Ausschreitungen in der Silvesternacht. In dem vom Beklagten zu 1) verfassten Artikel (Anlage K 3) wurde der Kläger als „H.G.” mit dem Zusatz „Jurist” oder „Nachbar” bezeichnet.
Einen weiteren Bericht des Beklagten zu 1) zu den Vorfällen in der Silvesternacht veröffentlichte die „Augsburger Allgemeine” in ihrer Ausgabe vom 9.1.1998 (Anlage K 4) unter der Überschrift „Reisser: Es gab keine Hinweise auf Randale” und der Unterüberschrift „Polizei war nur über mögliche ‚Silvester-Streiche’ von S.-Besuchern informiert”.
Unter der Überschrift „Razzia: Polizei fotografiert 84 Gäste im S.”, verbunden mit der Unterüberschrift „Aktion zwei Monate nach Angriff auf Nachbarn” berichtete die „Augsburger Allgemeine” in ihrer Ausgabe vom 7.3.1998 erneut über den Vorfall in der Silvesternacht.
Am 31.3.1998 veröffentlichte die „Augsburger Allgemeine” einen vom Beklagten zu 1) verfassten Bericht über die Ermittlung von sieben jungen Männern als Tatverdächtige.
Die „Augsburger Allgemeine” berichtete am 17.7.1998...