Leitsatz (amtlich)
§ 8 Abs. 1 Satz 2 TMG steht der Anwendung der Grundsätze der Störerhaftung auf andere Access-Provider als WLAN-Betreiber nicht entgegen.
Normenkette
TMG § 7 Abs. 3 S. 1, § 8 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 7 O 17752/17) |
Tenor
I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 1. Februar 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dieses wie folgt lautet:
Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000, EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft oder Ersatzordnungshaft an dem Vorstand der Antragsgegnerin zu vollziehen ist, untersagt,
ihren Kunden über das Internet Zugang zum Film Fack Ju Göhte 3 zu vermitteln, soweit dieser Film über den gegenwärtig KINOX.TO genannten Internetdienst abrufbar ist, wie dies über die Domains kinox.to, kinox.am, kinox.me, kinox.nu, kinox.tv, kinox.sg, kinox.sx oder kinos.to geschieht, welche sich der IP-Adresse 185.200.190.136 bedienen, wie nachfolgend eingeblendet:
((Abbildungen))
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin 1/9 und die Antragsgegnerin 8/9 zu tragen.
Gründe
A. Die Antragsgegnerin versorgt 3,34 Millionen Kunden mit Internetanschlüssen.
Die Antragstellerin ist Inhaberin urheberrechtlicher Nutzungsrechte - insbesondere des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung für Deutschland - an dem Film Fack Ju Göhte 3, der am 26. Oktober 2017 in den deutschen Kinos anlief und bis zum 3. Dezember 2017 bereits 5,7 Millionen Kinozuschauer hatte.
Dieser Film war ab dem 7. November 2017 auf dem Internetauftritt von KINOX.TO durchgehend verfügbar. Mit diesem Internetauftritt werden audiovisuelle Inhalte wie Filme angeboten. Der Auftritt ist in deutscher Sprache gestaltet, alle wesentlichen Hinweise sind auf Deutsch. Das Angebot ist so aufgebaut, dass auf der Seite - geordnet nach bestimmten Ordnungskriterien - Links zu Sharehostern gefunden werden können, die es ermöglichen, die jeweiligen Inhalte im Wege des Streamings anzusehen. Die Inhalte sind auf den Servern der Sharehoster so abgespeichert, dass der Stream von Nutzern kostenlos zu Zeiten und von Orten ihrer Wahl abgerufen werden kann. Die Seite KINOX.TO hat kein Impressum.
Die Antragstellerin erfuhr von der Abrufbarkeit des Films über KINOX.TO am 7. November 2017. Nachdem sie - erfolglos - die Betreiber von KINOX.TO am 20. November 2017 über das mit dem Internetauftritt zur Verfügung gestellte Kontaktformular abgemahnt (vgl. Anl. AST 7) und die damaligen Host-Provider der Betreiber von KINOX.TO notifiziert und abgemahnt hatte, wandte sich die Antragstellerin mit einem "anwaltlichen Informationsschreiben" vom 28. November 2017 (vgl. Anl. AST 21) an die Antragsgegnerin und teilte dieser mit, dass sie die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Film innehabe, dieser illegal im Internet über den Dienst KINOX.TO verfügbar und auch über die von der Antragsgegnerin angebotenen Internetzugänge abrufbar sei. Die Antragsgegnerin sei daher verpflichtet, zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Kunden den Zugang zum Film zu verwehren, soweit dieser über KINOX.TO verfügbar sei. Denkbar seien insbesondere die Sperrung der von KINOX.TO benutzten Domains kinox.to, kinox.am, kinox.me, kinox.nu, kinox.tv, kinox.sg, kinox.sx und kinos.to oder die Sperrung der von KINOX.TO genutzten IP-Adresse 185.200.190.136.
Die Antragsgegnerin leitete daraufhin keine Sperrmaßnahmen ein. Der Film war am 6. Dezember 2017 immer noch über Internetzugänge der Antragsgegnerin abrufbar.
Mit Antrag vom 6. Dezember 2017, eingegangen am 7. Dezember 2017, hat die Antragstellerin ein Verfügungsverfahren gegen die Antragsgegnerin eingeleitet. Sie hat zuletzt beantragt,
der Antragsgegnerin bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verbieten, ihren Kunden über das Internet Zugang zum Film Fack Ju Göhte 3 zu vermitteln, soweit dieser Film über den gegenwärtig KINOX.TO genannten Internetdienst abrufbar ist, wie nachfolgend eingeblendet:
((Abbildungen))
hilfsweise:
die Antragsgegnerin zu verpflichten, gegenüber ihren Kunden die Vermittlung des Zugangs über das Internet zum Film Fack Ju Göhte 3 zu sperren, soweit dieser Film über den gegenwärtig KINOX.TO genannten Internetdienst abrufbar ist, wie nachfolgend eingebendet:
[es folgen dieselben Einblendungen wie zum Hauptantrag]
Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2018 hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass der Internetdienst KINOX.TO auch über die Domain kinox.si erreichbar war.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Antragstellerin klargestellt, dass die Bezeichnung KINOX.TO in den Anträgen als Firma und nicht als Top-Level-Domain zu verstehen sei; deswegen werde vom Antrag zum Beispiel auch die URL beginnend mit kinox.tv ... erfasst. Insoweit hat die Antragstellerin eine Liste mit den weiteren von ihr als streitgegenständlich bezeichneten URLs
https://kinox.to/Stre...