Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschriften des Umsatzsteuerrechts weisen keinen auch nur sekundären Marktbezug auf, weshalb auf einen diesbezüglichen Verstoß kein Unterlassungsanspruch eines Wettbewerbers gem. § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch gestützt werden kann.
2. Die Beihilfevorschriften gem. Art. 87 ff. EG und die einschlägigen Durchführungsverordnungen weisen keinen auch nur sekundären Marktbezug auf; sie haben keine die Wettbewerber schützende Wirkung.
Mögliche Auswirkungen auf die Lage von Wettbewerbern sind für das Beihilfeverbot des Art. 87 EG nicht entscheidend.
Normenkette
UWG § 1; UStG § 2 Abs. 3; EG Art. 87-88
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 17HK O 9360/01) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 21.11.2002 – 17HK O 9360/01 – wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens der Beklagten zu 1) abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens des Beklagten zu 2) abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Die Klägerin, die Betreiberin eines privaten Krematoriums in T., macht gegen die Beklagte zu 1), die Landeshauptstadt München, und den Beklagten zu 2), den Freistaat Bayern, Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Nichterhebung von Umsatzsteuer auf Leistungen des städtischen Krematoriums in München, das auf dem Gelände des Ostfriedhofs angesiedelt ist, geltend.
Das LG München I hat die Klage mit Urteil vom 21.11.2002 gegen beide Beklagte abgewiesen. Auf dieses Urteil und die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, das LG habe zu Unrecht die Nichterhebung der Mehrwertsteuer für die Leistungen des städtischen Krematoriums nicht als wettbewerbswidrig und rechtswidrig erachtet. Die Nichterhebung der Mehrwertsteuer durch das kommunale Krematorium verstoße gegen § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG i.V.m. § 4 Abs. 5 KStG, Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern sowie Art. 87 ff. EG und stelle hierdurch einen Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 1 UWG – Vorsprung durch Rechtsbruch – dar. Bei den verletzten Europarechtlichen Normen handele es sich um wettbewerbsbezogene i.S.d. § 1 UWG werthaltige Vorschriften. Die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der Leistungen kommunaler Krematorien ergebe sich bereits aus dem nationalen Umsatzsteuerrecht. Nach § 2 Abs. 3 UStG, § 4 Abs. 5 KStG sei die öffentliche Hand mit ihren Betrieben gewerblicher Art umsatzsteuerpflichtig. Bezüglich der Leistungen von Krematorien sei seit der Gesetzesänderung kein Hoheitsvorbehalt mehr gegeben; es würden von öffentlichen und privaten Betreibern dieselben Tätigkeiten ausgeführt, mithin handele es sich bei beiden um Gewerbetreibende i.S.d. UStG. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, ergebe sich die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der Leistungen der Beklagten zu 1) aus der unmittelbar anwendbaren Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern. Die Behandlung der kommunalen Krematorien als Nichtsteuerpflichtige führe auch zu größeren Wettbewerbsverzerrungen in der Branche. Die Klägerin habe dargelegt und unter Beweis gestellt, dass kommunale Krematorien selbst unter Berücksichtigung der Vorteile des Vorsteuerabzugs im Falle der Mehrwertsteuerpflichtigkeit ihrer Leistungen um einen relevanten Prozentsatz teuerer anbieten müssten. Bei Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern handele es sich auch um eine i.S.d. § 1 UWG werthaltige Norm.
In der Nichtberechnung der gesetzlichen Mehrwertsteuer für den Krematoriumsbetrieb liege eine Beihilfe i.S.d. Art. 87 ff. EG; hierdurch sei eine Wettbewerbsbeeinträchtigung, die den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtige, gegeben. Die kommunalen Krematorien erhielten durch die Nichterhebung der Mehrwertsteuer einen geldwerten Vorteil. Die kommunalen Krematorien seien, auch wenn sie in öffentlich-rechtlicher Rechtsform betrieben würden, Unternehmen i.S.d. Art. 87 ff. EG. Was die Wettbewerbsverfälschung anbelange, so sei ausreichend, dass diese entweder zwischen den Marktteilnehmern eines Mitgliedstaates oder zu den Wettbewerbern in anderen Mitgliedstaaten eintrete oder einzutreten drohe. Die Beihilfe verstärke die Marktposition der kommunalen Krematorien, die durch den Verzicht auf die Mehrwert...