Normenkette

StGB §§ 52, 129a Abs. 1 Nr. 1, §§ 129b, 211-212, 27, 22-23, 53

 

Tenor

  1. Der Angeklagte XXX ist schuldig der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall mit Beihilfe zum versuchten Mord in mindestens 400 tateinheitlichen Fällen und in einem anderen Fall mit versuchtem Mord in einer unbestimmten Vielzahl von rechtlich zusammentreffenden Fällen.
  2. Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt.
  3. Die erlittene Auslieferungshaft wird im Maßstab 1 zu 1 angerechnet.
  4. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
 

Gründe

A. Prozessgeschichte

I. Mit am 7. Oktober 2014 eingegangener Anklageschrift vom 1. Oktober 2014 hat der Generalbundesanwalt dem Angeklagten

"a) tateinheitlich Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland mit versuchter Anstiftung zum Mord und mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie

b) tateinheitlich Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland mit Mord und mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" zur Last gelegt. Der Senat ließ diese Anklageschrift mit Beschluss vom 13. November 2014 unverändert zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren, erteilte allerdings zugleich einen rechtlichen Hinweis. Weitere rechtliche Hinweise wurden im Verlauf der Hauptverhandlung erteilt. Insoweit wird auf die Protokolle der Hauptverhandlung vom 17. März 2015 und vom 6. Juli 2015 verwiesen.

II. Der Angeklagte wurde am 1. April 2014 in Prag festgenommen. Am 17. April 2014 erfolgte seine Auslieferung im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens, da der Angeklagte sich mit der Auslieferung einverstanden erklärt hatte. Mit seinem Einverständnis zu einer vereinfachten Auslieferung ist laut Auskunft der tschechischen Justiz der Verzicht auf den Grundsatz der Spezialität verbunden.

III. Dem Urteil ist eine Verständigung vorausgegangen:

Der Angeklagte hatte bereits zu Beginn der Hauptverhandlung im Januar 2015 Interesse an einer Verständigung bekundet. Nachdem diese zunächst nicht zustande kam, ging der Angeklagte durch die Abgabe einer umfangreichen Einlassung in Vorleistung. Schließlich stellte der Senat am 6. Juli 2015 dem Angeklagten für den Fall einer Verständigung eine Gesamtfreiheitsstrafe im Bereich von 10 bis 14 Jahren in Aussicht. Der Generalbundesanwalt, die Verteidiger und der Angeklagte erklärten am selben Tag ihre Zustimmung.

IV. Hinsichtlich eventueller Verstöße gegen das Waffengesetz (§ 51 Abs. 1 WaffG) und das Kriegswaffenkontrollgesetz (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG) sowie Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gemäß § 154a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO mit Verfügung vom 1. Oktober 2014 von der Verfolgung abgesehen. Der Senat hat mit Beschluss vom 19. Juni 2015 gem. §§ 154 Abs. 2 bzw. 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung hinsichtlich folgender Straftaten abgesehen:

- versuchte Anstiftung zum Mord zum Nachteil von XXX

- Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion gem. § 308 StGB und

- Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland für die Zeit im März 2014 nach dem Abfeuern der Mörserkanone.

B. Zur Person des Angeklagten

I. Persönliche Entwicklung

Der Angeklagte wurde am XX.XX.XXXX in XXX als zweiter von drei Söhnen geboren. Der jüngere Bruder ist geistig behindert. Seine Eltern stammen aus Afghanistan. Der Vater betrieb einen Import-/Export-Handel mit Kraftfahrzeugen in München, die Mutter war Hausfrau. Das Verhältnis zum Vater bezeichnet der Angeklagte als schlecht und angespannt. Er sei in der Kindheit bis zu seinem 13. Lebensjahr von seinem Vater geschlagen worden. Der Vater habe immer Einfluss auf ihn nehmen wollen, er habe es ihm nie recht machen können.

Er wuchs teilweise bei einer Nachbarfamilie auf, wo er die deutsche Sprache erlernte, die er in Gesprächen mit seinem älteren Bruder benutzt. Mit den Eltern redet er allerdings nur pashtu.

Der Angeklagte wurde regulär eingeschult, Als er in der 4. Klasse war, zog seine Mutter mit den Kindern nach Neunkirchen-Wiebelskirchen im Saarland; um dort die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben, weil die Eltern des Angeklagten die dortige Verwaltungspraxis hierfür günstiger einschätzten. Die deutsche Staatsangehörigkeit wurde ihm am 9. April 1999 verliehen. Der Schulwechsel hatte zur Folge, dass der Angeklagte die 4. Klasse wiederholen musste. Nach zwei Jahren kehrte er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern wieder nach München zurück.

Die Schule, an der er wegen Faulheit und später wegen Pubertätsproblemen kein Interesse hatte, verließ er 2004 mit dem Hauptschulabschluss. Nach dem Hauptschulabschluss besuchte er in den Jahren 2004 bis 2006 einen Lehrgang beim Beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (BFZ) sowie die Berufsschule zur Berufsvorbereitung.

Der Angeklagte begann drei Berufsausbildungen, die er nicht abschloss:

Eine Lehrstelle zum Hotelfachwirt...

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