Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung des Vindikationsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind (im Anschluss an BGH, NJW 2008, 3434).
2. Für Ansprüche nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG (bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG) gilt - mangels Sonderregelung - die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB.
3. Die Konstellation im Rahmen des Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bzw. § 8 Satz 1 und 2 PatG ist nicht vergleichbar mit einem Herausgabeanspruch aus Eigentum oder einem sonstigen dinglichen Recht, insbesondere nicht mit einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 985, 986 BGB. Die Anmeldung durch den Nichtberechtigten stellt sich nicht als eine Besitzergreifung an der Erfindung, sondern als eine bestimmte Art der Nutzung der Erfindung dar.
4. Auch wenn ein Patent bereits erteilt ist und sich der Anspruch gemäß Art. II § 5 Abs. 1 Satz 2 IntPatÜG nicht mehr auf Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des europäischen Patents, sondern auf Übertragung des Patents richtet, ist der Anspruch bereits mit der Anmeldung entstanden. Durch die Patenterteilung beginnt keine neue Verjährungsfrist zu laufen.
5. Im Fall einer Teilanmeldung - wie im Streitfall - kommt es für das Entstehen des Anspruchs nach Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG nicht auf den Zeitpunkt der Teilanmeldung, sondern der ursprünglichen Anmeldung des Stammpatents an.
6. Der Anspruch gemäß Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 IntPatÜG bezieht sich auf die Erfindung ("dessen Erfindung"), worunter die tatsächliche Erfindung in der Gestalt und dem Umfang zu verstehen ist, wie sie in der ursprünglichen Anmeldung insgesamt (Gesamtoffenbarung) konkretisiert wurde. Da eine Teilanmeldung gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz EPÜ nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen darf, sind Erfindung der Stammanmeldung und der Teilanmeldung identisch, jedenfalls ist die Erfindung der Teilanmeldung in vollem Umfang in der Stammanmeldung enthalten.
Normenkette
BGB § 852; EPÜ Art. 76 II § 5; PatG §§ 8, 195, 197, 199; ZPO §§ 97, 531
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 21 O 2247/17) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.04.2019, Az.: 21 O 2247/17, dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich, macht gegen die Beklagte, ein Unternehmen des X-Konzerns mit Sitz in Deutschland, einen Anspruch auf Übertragung des deutschen Teils des europäischen Patents xxx 462 B1 / DE xxx 895 (nachfolgend: Streitpatent) sowie darauf gestützt Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend.
Das Streitpatent betrifft ein "Instrument und ein Verfahren zur automatisierten Wärmebehandlung von Flüssigkeitsproben". Dessen Ansprüche lauten in deutscher Sprache:
1. Instrument (1) zur automatisierten Wärmebehandlung von Flüssigkeitsproben (5), das umfasst:
Ein temperaturgesteuertes Aufnahmebehältnis (28) zum Beladen mit einer Vielzahl von Behältern (4) zum Aufnehmen von Proben (5), wobei das Aufnahmeverhältnis (28) so ausgeführt ist, dass es eine Wärmeverbindung mit den beladenen Behältern (4) bildet; ein Detektionsmodul (6), das ausgestattet ist mit einer Detektionsanordnung (10), die mit einem oder mehreren Detektoren (11) zum Detektieren von Licht (24), das aus den Proben (5) emittiert wird, versehen ist, und einer Kopplungsanordnung (12), die mit einer Vielzahl von optischen Fasern (13, 14) zum Übertragen des emittierten Lichts (9, 24) zu der Detektionsanordnung (10) versehen ist, wobei die optischen Fasern (13, 14) einen ersten und einen zweiten Endabschnitt (15, 17) aufweisen, wobei der erste Endabschnitt (15) und der zweite Endabschnitt (17) jeder optischen Faser (13, 14) relativ zueinander fixiert sind; einen Bewegungsmechanismus (52) zum Bewegen der Kopplungsanordnung (12) und/oder des Aufnahmebehältnisses (28) in einer Weise zum Variieren des Zwischenabstands zwischen der Kopplungsanordnung (12) und dem Aufnahmebehältnis (28), so dass ermöglicht wird, dass die Behälter (4) in das Aufnahmebehältnis (28) geladen oder aus diesem entladen werden, und dass eine Detektion des L...