Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 26 O 14617/23)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 14.12.2023, Az. 26 O 14617/23, aufgehoben.

Der Beschluss des Landgerichts München I vom 01.12.2023, Az. 26 O 14617/23, wird aufgehoben und der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Der Verfügungskläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Gründe

I. Der Darstellung eines Tatbestandes bedarf es nicht, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 S. 1, § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO.

II. Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des Endurteils des Landgerichts vom 14.12.2023 (Bl. 111/126 LG-Akte), mit dem die vom Landgericht mit Beschluss vom 01.12.2023 erlassene einstweilige Verfügung (Bl. 52/57 LG-Akte) bestätigt wurde. Der letztgenannte Beschluss des Landgerichts ist aufzuheben und der klägerische Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 15.11.2023 (Bl. 1/8 LG-Akte) in der Fassung vom 14.12.2023 (Bl. 106 LG-Akte) zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagte keinen Anspruch gemäß Art. 10 Abs. 1 S. 1 BayPrG auf Abdruck der geforderten Gegendarstellung. Die Berufung macht zutreffend geltend, dass es dem Verfügungskläger jedenfalls am berechtigten Interesse am Abdruck der Gegendarstellung mangelt.

1. Dem Gegendarstellungsanspruch liegt nach der Entscheidung des Gesetzgebers die Struktur zugrunde, dass derjenige, der von einer Tatsachenbehauptung der Presse betroffen ist, dem Bericht mit einer eigenen Darstellung des tatsächlichen Geschehens entgegentreten kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.02.2018 - 1 BvR 442/15, BeckRS 2018, 2868, Rn. 20 m.w.N.; siehe in Bezug auf Art. 10 Abs. 1 S. 1 BayPrG Seitz in Himmelsbach/Mann, Presserecht, § 13, Rn. 2; Seitz, Der Gegendarstellungsanspruch, 5. Aufl., 5. Kap., Rn. 136). Mit dem Gegendarstellungsanspruch soll "Waffengleichheit" hergestellt werden (vgl. BeckOK BGB/Förster, 68. Ed., § 12 BGB, Rn. 403), indem der durch eine Presseveröffentlichung Betroffene in eigener Sache vor dem gleichen Forum der Öffentlichkeit zu Wort kommt, an das sich die Presse wendet. Der Anspruch dient also einem elementaren Schutzinteresse der durch die Zeitungsveröffentlichung Betroffenen gegenüber den großen Einflussmöglichkeiten der modernen Presse auf die öffentliche Meinungsbildung. Zugleich soll dieses presserechtliche Rechtsinstitut auch dem öffentlichen Interesse an sachlich richtiger Informationserteilung zugute kommen, das ernstlich gefährdet wäre, wenn demjenigen, über dessen Verhältnisse berichtet wird, die Gelegenheit zur Stellungnahme abgeschnitten würde (vgl. BGH, Beschluss vom 31.03.1965 - VI ZR 56/65, NJW 1965, 1230 m.w.N.).

2. Die Berufung rügt zu Recht, dass der Ausgangsmitteilung, auf die der Kläger im Wege der Gegendarstellung erwidern will, bei der gebotenen Betrachtung im Gesamtkontext des Artikels nicht der mit der Gegendarstellung adressierte Aussagegehalt zukommt.

a) Im Rahmen der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts der den Anknüpfungspunkt für die geforderte Gegendarstellung bildenden Äußerung kommt es auf den Sinn an, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Lesers hat. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist mithin weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Die Äußerung darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.12.2016 - 1 BvR 1018/15, NJW 2017, 1537, Rn. 21; BGH, Urteil vom 04.04.2017 - VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029, Rn. 30, jeweils m.w.N.). Fernliegende Deutungen sind auszuscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682, Rn. 28 m.w.N.).

Wenn eine Titelseite eine eigenständige Tatsachenaussage enthält, die aus sich heraus, das heißt ohne den im Heftinneren stehenden Artikel, verständlich ist, kann diese auch ohne Rücksicht auf den Inhalt des Artikels angegriffen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.01.1998 - 1 BvR 1861/3, NJW 1998, 1381; Senat, Beschluss vom 08.03.2017 - 18 W 370/17, juris Rn. 12; Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 4, Rn. 36). Eine solche isolierte Betrachtung von Schlagzeilen und Artikelankündigungen ist vornehmlich bei Boulevardzeitungen und der sogenannten Yellow Press gerechtfertigt und geboten. Denn dort werden S...

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