Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung bei Kapitalanlageberatung: Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Fondsverantwortlichen wegen Kapitalanlagebetruges
Leitsatz (amtlich)
Der Anlageberater ist im Rahmen einer Beratung über eine mittelbare Kommanditbeteiligung an einer Treuhandgesellschaft verpflichtet, den Anlageinteressenten über ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer und den Mittelverwendungskontrolleur der Fondsgesellschaft wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz, der Untreue und des Kapitalanlagebetruges (im Zusammenhang mit anderen Beteiligungsgesellschaften) aufzuklären. Denn es handelt sich um Umstände, die geeignet sind, die Vertrauenswürdigkeit der Fondsverantwortlichen ernsthaft in Frage zu stellen, und daher geeignet sind, einen vernünftig denkenden Anlageinteressenten davon abzuhalten, denselben Personen seine Anlagegelder anzuvertrauen oder Anlageentscheidungen zu überlassen, gegen die wegen des Verdachts des Betruges zum Nachteil von Anlegern ermittelt wird. Unterbleibt die Aufklärung über das Ermittlungsverfahren, so ist der Anlageberater dem Anleger zum Schadensersatz verpflichtet.
Normenkette
BGB §§ 249, 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 06.05.2010; Aktenzeichen 35 O 20783/09) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG München I vom 6.5.2010 - 35 O 20783/09, aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.247,75 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 11.11.2009 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte aus der Beteiligung zur Beteiligungsnummer:... 28 an der A. GmbH & Co. Vermögensaufbauplan 4 KG gegen eine Nominalbeteiligung von DM 60.000/ EUR 30.677,51.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.247,75 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt aus vom Zeugen Stefan K. abgetretenem Recht (s. Abtretungsvereinbarung Anlage K 1) Schadensersatz wegen behaupteter Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit der Beratung für eine Geldanlage in Form einer mittelbaren Kommanditbeteiligung an der A. GmbH & Co. Vermögensaufbauplan 4 KG (im Folgenden: A. 4 KG).
Der Zedent, der Zeuge Stefan K., zeichnete am 2.11.2001 über eine Treuhandgesellschaft eine mittelbare Kommanditbeteiligung an der A. 4 KG über eine Beteiligungssumme von 60.000,- DM (= 30.677,51 EUR) zzgl. 3.000,- DM Agio. Auf die Einlage und das Agio zahlte er eine anfängliche Einmalzahlung i.H.v. 3.067,75 EUR, anschließend monatliche Raten à 102,- EUR von Februar 2002 bis Juli 2009, insgesamt also 12.247,75 EUR.
Eine Mitarbeiterin der Beklagten, die Zeugin Pf., hatte den Zedenten vor Vertragsschluss in mehreren Gesprächen beraten. Die streitgegenständliche Anlage sollte neben einer abgeschlossenen fondsgebundenen Lebensversicherung als "Beimischung" der Altersvorsorge dienen.
Der Geschäftsführer der A. 4 KG und der Komplementärin, Klaus P., und die Geschäftsführerin der A/T/G, der Treuhandgesellschaft und Mittelverwendungskontrolleurin, Anouschka W., wurden am 2.10.2002 wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz zu einer Freiheitsstrafe von acht (P.) bzw. sechs (W.) Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Ermittlungsverfahren gegen die beiden Beschuldigten, das deren Engagement für die A. 1 und 3 KG betraf, war bereits im Jahr 2000 eingeleitet worden und erstreckte sich zunächst auch auf den Vorwurf des Kapitalanlagebetrugs. Aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses vom 18.4.2000 wurden wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das KWG u.a. die Geschäftsräume der A. Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH durchsucht.
Die Ermittlungen gegen Klaus P. und Anouschka W. waren nicht Gegenstand der Beratungsgespräche zwischen der Beklagen und dem Zedenten.
Der Kläger behauptet, die Zeugin Pf. habe dem Zedenten empfohlen, seine bestehenden Lebensversicherungen zu kündigen und die Beteiligung zu zeichnen, ohne dabei über Risiken aufzuklären. Sie habe die Anlage als eine solche dargestellt, bei der mit einem hohen Wertzuwachs sicher zu rechnen sei. Der Zedent habe kein schriftliches Material, insbesondere keinen Prospekt erhalten. Der Kläger ist der Auffassung, die Weichkosten seien überdimensioniert und verschleiert dargestellt. Außerdem meint er, dass auch über das Ermittlungsverfahren hätte aufgeklärt werden müssen.
Der Kläger beantragte, die Beklagte zur Rückzahlung der bislang eingezahlten Beträge i.H.v. 12.247,75 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung...