Leitsatz (amtlich)
1. Die Werbung eines Optikers mit der Aussage "1 Glas geschenkt!*" stellt keine nach § 7 Abs. 1 S. 1 HWG unzulässige Werbegabe dar, wenn im Sternchenhinweis unmittelbar unter dieser Werbeaussage erläutert wird: "*Gilt beim Kauf einer Brille in Sehstärke. Bei M. hat das linke und das rechte Glas immer den gleichen Preis. Sie sparen also 50 % des Glaspreises.". In diesem Fall liegt ein einheitliches Angebot vor, für das ein Gesamtpreis zu bezahlen und somit keine unentgeltliche Gewährung inkludiert ist.
2. Die in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a) HWG enthaltene Ausnahme einer Werbegabe, die in "einem auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag" gewährt wird, setzt voraus, dass aufgrund der Angaben in der Werbung ein konkreter Preis berechnet werden kann; nicht ausreichend ist daher, dass lediglich eine Prozentangabe eines nicht näher genannten Preises angegeben wird.
3. Bei einer Werbung mit "Gratis"-Angaben o..ä. ist im Rahmen von Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG darauf abzustellen, ob der Verbraucher die konkrete Werbung tatsächlich als "gratis"-, "umsonst"- oder wie vorliegend als "geschenkt"-Angebot ohne Kostentragungspflicht versteht, oder ob ihm aufgrund der in der Werbung selbst vorgenommenen und ausreichenden Aufklärung hinsichtlich des Angebotsinhalts bewusst wird, dass ein kostenpflichtiges Gesamtangebot gerade ohne Gratis-Charakter vorliegt.
Normenkette
UWG § 3a; HWG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a; UWG § 3 Abs. 3 Anh. 21, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 22.10.2015; Aktenzeichen 12 O 1496/15) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG München I vom 22.10.2015, berichtigt mit Beschluss vom 20.11.2015, Az. 12 O 1496/15, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil des LG München I, Az. 12 O 1496/15, wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen behaupteter wettbewerbswidriger Werbung auf Unterlassung und Zahlung einer Kostenpauschale in Anspruch.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist ein Augenoptikunternehmen mit über 70 Filialen, schwerpunktmäßig im Freistaat Bayern. Im Oktober 2014 schaltete sie in einer lokalen Zeitung die nachfolgend abgebildete Anzeige (Anlage K 1 bzw. B 7):
((Abbildung))
Unter der in der Werbung blickfangmäßig mit rotem Hintergrund hervorgehobenen Angabe "1 Glas geschenkt!" befindet sich in kleinerer Schrift folgender Text: "Gilt beim Kauf einer Brille in Sehstärke. Bei M. hat das linke und das rechte Glas immer den gleichen Preis. Sie sparen also 50 % des Glaspreises. Nicht kombinierbar mit anderen Aktions- und Komplettangeboten, ausgenommen 25 % auf Sonnenbrillen."
Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 10.12.2014 (Anlage K 2) erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
Mit Endurteil vom 22.10.2015, berichtigt mit Beschluss vom 20.11.2015, hat das LG das Begehren des Klägers,
I. Die Beklagte wird verurteilt, es (bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für den Vertrieb von Brillengläsern mit der Aussage zu werben: "1 Glas geschenkt", insbesondere wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben und aus Anlage K 1 ersichtlich: (es folgt die oben ersichtliche Abbildung)
II. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin EUR 246,10 nebst Zinsen daraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung ist im Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, ausgeführt:
Der begehrte Unterlassungsanspruch ergebe sich nicht aus einer Verletzung der verbraucherschützenden Regelung in § 7 Abs. 1 HWG: Zwar unterfalle die Brille dem Heilmittelbegriff des HWG, da es sich um ein Medizinprodukt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG, § 3 Nr. 1 MPG handele; jedoch stelle das beworbene "geschenkte Glas" keine Zuwendung oder sonstige Werbegabe i.S.v. § 7 Abs. 1 HWG dar. Dieser Begriff erfasse grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die im Zusammenhang mit der Werbung für ein bestimmtes oder mehrere konkrete Heilmittel gewährt werde; eine Werbegabe setze demnach voraus, dass die Zuwendung aus der Sicht des Empfängers unentgeltlich gewährt werde, so dass er diese als ein Geschenk ansehe. Würden dem Werbeadressaten dagegen mehrere Waren als ein einheitliches, mit einem Gesamtpreis zu entgeltendes Angebot präsentiert, so liege keine unentgeltliche Vergünstigung und damit keine Wer...