Entscheidungsstichwort (Thema)
Fassung geschenkt
Leitsatz (amtlich)
Die Werbung eines Optikers mit der Aussage "Fassung geschenkt" stellt keine unzulässige Werbegabe nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG dar, wenn der Verbraucher aufgrund des Gesamtcharakters der Anzeige annimmt, dass die Gratisfassung Teil eines vergünstigten Komplettangebots - einer Brille bestehend aus Fassung und Gläsern - ist.
Bei der Frage, ob der Verbraucher die nicht gesondert berechnete Brillenfassung aus funktionalen Gründen nicht als selbständig angebotene Ware, sondern als Teil eines einheitlichen, mit einem Gesamtpreis zu entgeltenden Angebots versteht, kann berücksichtigt werden, dass die Unterschiede der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsabgeltung bei Sehhilfen für Gläser einerseits und Brillenfassungen andererseits die Verkehrsauffassung regelmäßig nicht prägt, und dass der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes nur für die einer Sehschwäche dienende Brille insgesamt - also als funktionale Einheit bestehend aus Brillenfassung und Gläser - eröffnet ist, während die Brillenfassung selbst nicht - auch nicht als Zubehör - der Vorschrift des § 7 HWG unterfällt.
Normenkette
HWG § 7 Abs. 1 S. 1; UWG § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21, §§ 3a, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 3 HK O 228/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.04.2018, Az. 3 HK O 228/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils und des Berufungsurteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 40.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. I. Die Parteien streiten sich über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der nachfolgenden Werbeanzeigen der Beklagten.
1. In der Zeitung "B............" vom 25.06.2017 warb die Beklagte für den Kauf von Korrektionsgläsern (Anlage K 1) mit der Aussage "Endlich mal eine gute Nachricht: Fassung geschenkt." Darunter war eine mit Geschenkband umwickelte Brille abgebildet, neben der stand "Freie Auswahl für Sie." Unter der Brillenabbildung befand sich das Symbol eines Geschenkpaketes und folgender Text: "Ab Glaspaket Gold gibt es die Fassung Ihrer Wahl gratis dazu". Am unteren Rand der Anzeige stand in kleinerer Schrift "Gültig für alle Fassungen beim Kauf einer Brille oder Sonnenbrille in Sehstärke ab Glaspaket Gold. Nur für die erste Brille oder Sonnenbrille anwendbar. Gilt nicht in Kombination mit anderen Angeboten".
2. Darüber hinaus schaltete die Beklagte am 21.09.2017 auf ihrer Internetseite www.a.............de eine ähnliche Anzeige (Anlage K 2).
Bei Aufruf der Internetseite der Beklagten erschien eine Bannerwerbung, auf der die mit Geschenkband umwickelte Brillenfassung abgebildet war. Darunter stand - mit einem Sternchen versehen - "Fassung geschenkt" und daneben "Ab Glaspaket Gold gibt's die Fassung gratis!". Direkt darunter war ein Button mit der Aufschrift "Jetzt Brille aussuchen".
Auf der Seitenkategorie "Alle Brillen" war zwischen den Fotos der zur Verfügung stehenden Fassungsmodelle wiederum die streitgegenständliche Werbeanzeige eingefügt. Diese enthielt den Werbespruch "Fassung geschenkt" und die mit Geschenkband umwickelte Brille. Darunter war das Geschenkpaket abgebildet. Unmittelbar unter dem abgebildeten Geschenkpaket stand "Sie wählen Ihr Glaspaket und die Fassung Ihrer Wahl. Gilt ab Glaspaket-Gold."
Eine Fußnote am Ende der Internetseite enthielt folgenden "*Hinweis zu unseren Angeboten: Aktion Fassung geschenkt: Angebot gültig für alle Fassungen beim Kauf einer Brille in Sehstärke ab Glaspaket-Gold. Nur für die erste Brille anwendbar. Der Wert der Fassung wird erst im Warenkorb abgezogen."
Entscheidet sich der Verbraucher für das "Glaspaket Gold" und eine Fassung, setzt sich der Warenkorb zusammen aus dem Preis der Fassung und dem Glaspaket. Erst danach wird der Betrag der Fassung abgezogen, so dass der Kunde nur den auch sonst verlangten Preis für die Brillengläser zahlt (Anlage K 6).
II. Am 19.04.2018 erließ das Landgericht Nürnberg-Fürth das nachfolgende Endurteil:
I: Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten, zu unterlassen, in Werbebeilagen, Zeitungsanzeigen, im Internet und/oder auf sonstigen Werbeträgern zu Zwecken des Wettbewerbs für den Kauf von Korrektionsgläsern mit dem Hinweis "Fassung geschenkt" zu werben oder werben zu lassen, wenn dies wie folgt geschieht. Es folgt die Abbildung von Anlagen K 1 und K 2 mit den Werbeanzeigen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 220 EUR nebst Zinse...