Entscheidungsstichwort (Thema)

Durchsetzbarkeit des Freistellungsanspruchs aus einem Treuhandvertrag im Rahmen der Liquidation in einer offenen Handelsgesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist anlässlich der Liquidation einer Publikumsgesellschaft in Gestalt einer OHG der als Komplementär agierende Treuhänder zum Nachschuss des festgestellten Liquidationsverlustes verpflichtet, hat er grundsätzlich aus dem zugrunde liegenden Treuhandvertrag gegen den Treugeber, dessen Anteile er treuhänderisch in der Gesellschaft hält, einen Freistellungsanspruch von dieser Verbindlichkeit.

2. Der Treuhänder kann jedoch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert sein, eigene Freistellungsansprüche gegen den Treugeber durchzusetzen, solange nicht sicher ist, dass dieser selbst wegen seiner (mittelbaren) Gesellschafterstellung von Gesellschaftsgläubigern nicht in Anspruch genommen wird.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 670, 242

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 18.07.2008; Aktenzeichen 29 O 783/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.10.2011; Aktenzeichen II ZR 242/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 18.7.2008 aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aufgrund einer Liquidationseröffnungsbilanz die Zahlung von Nachschüssen.

Die Klägerin ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft. Sie errichtete in den Jahren 1995 und 1996 Wohnungen in Potsdam. Die Beklagte ist der Klägerin mit Beitrittserklärung vom 28.12.1994 beigetreten, wobei die Einlage treuhänderisch von der BO.-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH (nachfolgend "BO.") gehalten wird.

Nach dem Treuhandvertrag zwischen der Beklagten (Treugeberin) und der BO. (Treuhänder) war die BO. beauftragt, sich im eigenen Namen für Rechnung der Treugeberin an der Klägerin mit dem von der Beklagten gezeichneten Betrag als Gesellschafter nach Maßgabe des Angebotprospekts zu beteiligen.

Hinsichtlich des Inhalts der Beitrittserklärungen, des Treuhandvertrags und des Prospekts wird auf die Anlagen K 1, K 2 und K 4 Bezug genommen.

Die Beteiligungssumme der Beklagten betrug 204.300 DM nebst 5 % Agio.

In § 26 des Gesellschaftsvertrages (Anlage K 3) ist die Liquidation der Gesellschaft geregelt.

Hinsichtlich des Inhalts wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen.

Die Klägerin geriet in der Folge in wirtschaftliche Schwierigkeiten und beschloss in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.1.2007 (Anlage K 12) die Veräußerung des Gesellschaftsvermögens und die Liquidation der Gesellschaft.

In der Gesellschafterversammlung (Anlage K 12), wurde unter Ziff. 4.1 beschlossen, den Geschäftsführer zu beauftragen, die Veräußerung der Immobilie der Gesellschaft vorzubereiten und über die Lastenfreistellung mit den Gläubigerbanken zu verhandeln. Ferner wurde beschlossen, dass die Gesellschaftsversammlung bereits jetzt dem Abschluss eines Kaufvertrags über den Verkauf der Immobilie zustimmt, sofern ein Kaufpreis i.H.v. mindestens 8.392.000 EUR vereinbart werde. Unter Ziff. 4.2 wurde beschlossen, dass die Veräußerung die Sicherstellung der Lastenfreistellung per 15.2.2007 voraussetze und daher die Gesellschafter unter Berücksichtigung einer kalkulatorischen Ausfallquote von 30 % quotal im Verhältnis ihrer Beteiligung einen Betrag von 4.205.694 EUR aufzubringen haben.

Unter Ziff. 4.5 wurde ferner folgender Beschluss gefasst:

"Für den Fall des Abschlusses eines Kaufvertrags über die Veräußerung des Gesellschaftsvermögens wird die Gesellschaft mit den im Kaufvertrag über die Veräußerung genannten Stichtag des Nutzen und Lastenwechsels liquidiert. Die Geschäftsführung/Die Gesellschafterin wird zum Liquidator bestellt".

Ferner wurde unter Ziff. 4.6 der Beschluss gefasst, dass die zur Lastenfreistellung und zur Abwicklung der Gesellschaft verwendeten Beträge der Einzahlungen gem. Ziff. 4.2 der Gesellschafter als Vorschusszahlungen auf den gem. § 26 Nr. 4 Satz 2 Gesellschaftsvertrag zu zahlenden Ausgleich anzurechnen sind, soweit sie nicht gem. Ziff. 4.4 als Darlehen an die Gesellschaft anzusehen sind.

Auf der Grundlage dieser Beschlüsse erfolgte die Veräußerung der klägerischen Immobilie zu einem Kaufpreis von 8.392.625 EUR. Der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten auf die Käuferin fand am 30.4.2007 statt (Anlage K 13). Die Käuferin wurde aufgrund Auflassung vom 3.5.2007 in das Grundbuch eingetragen.

Die Geschäftsführung der Klägerin ließ zum 1.5.2007 von der D. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine Liquidationsbilanz erstellen. Aus dieser ergibt sich ein Liquidationsverlust der Klägerin i.H.v. 4.306.000 EUR (Anlage K 14).

Mit "Verei...

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