Leitsatz (amtlich)
1. Der mögliche prozessuale Kostenerstattungsanspruch einer Gesellschaft, die im Handelsregister gelöscht wird, während sie an einem laufenden Prozess beteiligt ist, stellt Gesellschaftsvermögen dar, wenn sich der Anspruch gegen einen solventen Schuldner richtet. Die Gesellschaft ist dann nicht vermögenslos und bleibt parteifähig.
2. Gleichwohl begründet die Löschung einer Gesellschaft die Annahme, sie sei auf Dauer wirtschaftlich nicht mehr leistungsfähig.
3. Werkverträge, die die gelöschte Gesellschaft als Auftragnehmerin geschlossen hat, werden deshalb ohne weiteres in das Abwicklungs- und Abrechnungsstadium versetzt. Der Auftraggeber kann Schadensersatz und Minderung ohne Fristsetzung verlangen. Auf vereinbarte Abschlagszahlungen kommt es nicht mehr an.
4. Die in einem Vorprozess über einzelne Abschlagsforderungen rechtskräftig verbrauchten Aufrechnungsforderungen müssen auch im nachfolgenden Prozess über die Schlussabrechnung des Werklohns mit Tilgungswirkung beachtet werden.
Normenkette
FamFG § 394; HGB § 31 Abs. 2, § 131 Abs. 3; BGB a.F. § 634 Abs. 2; ZPO §§ 50, 322 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 24.11.2006; Aktenzeichen 24 O 412/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 24.11.2006 - 24 O 412/05, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens in der zweiten Instanz tragen die Kläger zu 64 % und die Beklagte zu 36 %.
3. Die Beklagte trägt ferner die Kosten des Verfahrens in der Revisionsinstanz.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
(abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO)
Gründe
I. Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Feststellung, der Beklagten aus dem Kaufvertrag vom 10.9.1993 über eine neu zu errichtende Eigentumswohnung nichts mehr zu schulden. Unabhängig von der Fälligkeit seien die Restansprüche der Beklagten jedenfalls durch Aufrechnung mit Gegenansprüchen erloschen.
Eine vollständige Abnahme der Leistungen der Beklagten hat noch nicht stattgefunden.
Die Beklagte wurde am 29.11.2007 von Amts wegen nach § 31 Abs. 2 HGB, § 393 Abs. 1 FamFG im Handelsregister des AG München gelöscht (HRA 69091).
Das AG München lehnte am 13.10.2005 mangels Masse die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der einzigen Komplementärin der Beklagten, einer GmbH ab (1502 IN 2794/05) und löschte die GmbH am 13.7.2006 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister des AG München (HRB 102164).
Seit 1.4.2005 war einzige Kommanditistin der Beklagten eine weitere GmbH, über deren Vermögen am 4.10.2005 das AG München das Insolvenzverfahren eröffnete (1542 IN 1877/05); nach Schlussverteilung wurde das Insolvenzverfahren am 24.1.2011 aufgehoben und die Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gem. § 394 FamFG am 6.10.2011 von Amts wegen im Handelsregister des AG München gelöscht (HRB 150147).
Das LG hat antragsgemäß durch das hier angefochtene Urteil vom 24.11.2006 festgestellt, "dass der Beklagten keine Restkaufpreisforderung mehr gegenüber den Klägern aus dem notariellen Kaufvertrag des Notars Helmut Freiherr von Oefele, UR-Nr. 2942 Oe/1993 und aus Sonderwunschabrechungen für Zusatzaufträge zusteht".
Mit der vorliegenden Berufung erstrebt die Beklagte die Aufhebung dieser Feststellung und die Klageabweisung.
Das LG habe u.a. die Rechtskraftwirkung des Urteils vom 9.4.2001 aus einem vorangegangenen Verfahren (LG München I, Az. 2 O 22762/98, künftig genannt "Vorprozess") falsch beurteilt, habe überraschend das dort erholte Gutachten im vorliegenden Prozess verwertet, habe die Gutschriften in der Sonderwunschabrechnung vom 13.10.1994 falsch gewürdigt und habe ferner unzutreffend den Klägern Schadensersatz- und Vorschussansprüche zuerkannt.
In dem Vorprozess hatte die hiesige Beklagte ihre gesamte Restforderung aus dem vorgenannten Vertrag und der Sonderwunschabrechnung vom 13.10.1994 i.H.v. 60.917,93 DM gegen die hiesigen Kläger geltend gemacht. Durch Urteil vom 9.4.2001 hat das LG die Klage vollständig abgewiesen, i.H.v. 21.822,50 DM jedoch nur "als derzeit unbegründet". Die endgültige Klageabweisung stützte das LG nach Prüfung der Zahlungsansprüche der Beklagten auf Gegenansprüche der Kläger. Die Abweisung "als derzeit unbegründet" betraf die letzte Rate; sie war nach Überzeugung des LG nicht fällig, weil das Bauvorhaben noch nicht vollständig fertig gestellt war. Ihre dagegen gerichtete Berufung nahm die Beklagte innerhalb der verlängerten Frist zur Berufungsbegründung am 10.9.2001 zurück.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird im Übrigen abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Ersturteils wird mit folgenden Erwägungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
Auf das vorliegende Schuldverhältnis sind die vor dem 1.1.2002 geltenden Gesetze anzuwenden (Art. 229 § 5 EGBGB).
1. Nicht mehr die ursprünglich beklagte Bauträger GmbH & Co. KG ist jetzt beklagte Partei, sondern deren Ko...