Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Beteiligung Mehrerer an einer unerlaubten Handlung muss sich jeder Beteiligte die von einem anderen Beteiligten erbrachten Tatbeiträge im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit gem. § 32 ZPO zurechnen lassen. Entsprechendes gilt für als Dritte i.S.d. § 101 Abs. 2 UrhG bzw. als Störer in Anspruch Genommene im Verhältnis zum Verletzer; sie müssen sich den Tatbeitrag des Verletzers zurechnen lassen.
2. Zur Nichterfüllung des Erfordernisses einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß (§ 101 Abs. 1, Abs. 2 UrhG) bei der öffentlichen Zugänglichmachung von qualitativ schlechten, untereinander nicht im Zusammenhang stehenden Filmausschnitten auf einer Internet-Videoplattform, die unter Benutzernamen handelnde Nutzer hochgeladen haben.
3. Die in § 101 Abs. 2 UrhG genannten Personen können auch gem. § 101 Abs. 1 UrhG in Anspruch genommen werden, wenn sie Störer sind.
Eine Störerhaftung im Rahmen des § 101 Abs. 1 UrhG kommt lediglich im Hinblick auf Rechtsverletzungen in Betracht, die erfolgen, nachdem einem als Störer in Anspruch genommenen Diensteanbieter von einer klaren Rechtsverletzung Kenntnis verschafft worden ist. Diejenige Verletzungshandlung, die Gegenstand einer Abmahnung oder sonstigen Mitteilung ist, mit der dem Diensteanbieter erstmalig Kenntnis von einer Rechtsverletzung verschafft wird, stellt keine Verletzungshandlung dar.
4. Das Erfordernis einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß gilt nicht nur für nach § 101 Abs. 1 UrhG in Anspruch genommene Verletzer und für die in § 101 Abs. 2 UrhG genannten Auskunftsschuldner, sondern auch für nach § 101 Abs. 1 UrhG auf Auskunft in Anspruch genommene Störer.
Normenkette
ZPO §§ 32, 937 Abs. 1; Rom-II-Verordnung Art. 8 Abs. 1; UrhG § 101 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 28.07.2011; Aktenzeichen 7 O 14192/11) |
Tenor
1. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des LG München I vom 28.7.2011 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt von den Antragsgegnerinnen im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine Auskunft nach § 101 UrhG im Zusammenhang mit dem Hochladen von Filmausschnitten auf der Internetplattform YouTube.
Die Antragstellerin betreibt ein Filmverleihunternehmen. Sie verwertet u.a. den Film "Werner Eiskalt". Der Film hat eine Länge von ca. 90 Min. Der offizielle Start dieses Films in den deutschen Kinos war am 23.6.2011.
Die Antragsgegnerin zu 1., eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA, betreibt unter http://%e2%80%9ewww.youtube.com/" die Internetplattform YouTube, auf der registrierte Nutzer Videoinhalte einstellen können. Ruft ein Nutzer von Deutschland aus die Website http://%e2%80%9ewww.youtube.de/" auf, wird er auf die für Deutschland lokalisierte Website http://%e2%80%9ewww.youtube.com/" weitergeleitet.
Die Antragsgegnerin zu 2, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA, betreibt insbesondere den Websuchdienst G. Sie ist Alleingesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1. Die Antragsgegnerin zu 2. ist Inhaberin der Domain-Namen youtube.com und youtube.de (Anlagenkonvolut ASt 3). Ferner wird die Antragsgegnerin zu 2. im Impressum auf der unter www.youtube.com aufrufbaren Website als Vertreter der Antragsgegnerin zu 1. angegeben.
Die Antragsgegnerin zu 3., eine GmbH mit Sitz in H., ist ein mit der Antragsgegnerin zu 2. verbundenes Unternehmen. Sie ist mit dem Verkauf und der Vermarktung von Online-Werbung befasst (Auszug aus dem Handelsregister des AG Hamburg, HRB ..., Anlage AG 11: "Gegenstand des Unternehmens: die Vermittlung des Verkaufs von Online-Werbung und von sonstigen Produkten und Leistungen; darüber hinaus alle kommerziellen, gewerblichen oder finanziellen Geschäfte hinsichtlich beweglichen oder unbeweglichen Vermögens, die direkt oder indirekt dem vorstehenden Zweck dienen oder zu dienen geeignet sind.").
Die Antragsgegnerin zu 1. bietet ein sog. Content-ID-System an, mit dem Rechteinhaber von Nutzern hochgeladene Videos identifizieren können, die vollständig oder teilweise mit einer vom Rechteinhaber übermittelten Referenzdatei übereinstimmen. Der Rechteinhaber kann hierbei bestimmen, dass derartige identifizierte Videos blockiert werden, so dass ein Upload verhindert wird.
Die Antragstellerin lud eine Referenzdatei des Filmwerks "Werner Eiskalt", deren Umfang streitig ist, über das zur Verfügung gestellte Web Interface des YouTube Content-ID-Systems hoch.
Sechs Ausschnitte des Films "Werner Eiskalt" wurden von Nutzern mit den Benutzernamen "r ..." (fünf Ausschnitte mit den Längen: 9:24 Min., 9:18 Min., 9:30 Min., 8:27 Min., 6:54 Min (Anlagenkonvolut ASt 6)) und "K ..." (ein Ausschnitt mit der Länge 11:29 Min. (Anlagen ASt 7, ASt 8)) im Zeitraum Juni bis Juli 2011 auf der Internetplattform YouTube eingestellt. Diese Filmausschnitte sind von schlechter Qualität. Sie wurden offenbar durch "Abfilmen" im Kino angefertigt. Manchmal wackelt das Bild, überwiegend flackern...