Leitsatz (amtlich)
1. Die in einer formularmäßigen Vertriebsvereinbarung zwischen einer Hauptvertreterin und einer Untervertreterin enthaltene Klausel, wonach ein Anspruch auf Provision bei der Untervertreterin erst dann entsteht, wenn bei der Hauptvertreterin für das von der Untervertreterin vermittelte Geschäft Provisionszahlungen tatsächlich eingegangen sind, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als nichtig anzusehen.
2. Dies gilt auch für eine Klausel in der Vertriebsvereinbarung, nach der Provisionsansprüche der Untervertreterin davon abhängen, dass die Hauptvertreterin Provisionen innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Vertriebsvertrags für von der Untervertreterin vermittelte Geschäfte erhalten hat.
3. Hingegen begegnet eine Regelung in der Vertriebsvereinbarung, die Bonuszahlungen von einem durch die Untervertreterin selbst vermittelten Basisprovisionsumsatz abhängig macht und ein zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Bonusprovisionen ungekündigtes Vertragsverhältnis voraussetzt, keinen rechtlichen Bedenken.
Normenkette
HGB §§ 87, 87a, § 84 ff.; BGB §§ 307, 310
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 24.06.2008; Aktenzeichen 9 HKO 8453/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 24.6.2008 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird an die Klägerin 19.029,44 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab 3.4.2003 zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
III. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben, von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin 57 % und die Beklagte 43 %.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht die Gegenseite vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
VII. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 39.348,89 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Provisionszahlung aus einem Handelsvertreterverhältnis geltend.
Die Klägerin war aufgrund eines zwischen den Parteien am 20.6.2000 (Anlage K 4) geschlossenen Vertriebsvertrags für die Beklagte als Handelsvertreterin mit der Vermittlung von Kapitalanlagen aller Art, insbesondere von Immobilien und Versicherungen befasst. Mit Schreiben vom 27.3.2003 (Anlage K 6) kündigte sie das Vertragsverhältnis ordentlich und bat um Auszahlung ausstehender Provisionen. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 14.4.2003 die Kündigung der Klägerin zum 30.9.2003 (Anlage B 1).
Eine von der Beklagten am 30.3.2003 erstellte Auflistung über "offene Provisionen" wies einen Betrag i.H.v. 81.276,38 EUR zugunsten der Klägerin (Anlage K 5) aus. Die Beklagte leistete in der Folgezeit Zahlungen i.H.v. 43.347,81 EUR an die Klägerin.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage unter Zugrundelegung dieser Aufstellung und der erfolgten Zahlungen weitere Provisionsansprüche i.H.v. 37.928,77 EUR geltend. Wegen der Einzelheiten der Berechnungen der Klägerin wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Klägerin beantragte in erster Instanz:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 37.928,77 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 2.4.2003 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragte, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die vorgelegte Aufstellung sei keine Provisionsabrechnung. Sie habe mit der Zahlung von 43.347,81 EUR an die Klägerin ihre Provisionszahlungspflicht in vollem Umfang erfüllt. Weitere Ansprüche stünden der Klägerin aus verschiedenen Gründen nicht zu. So sei gem. § 5 Nr. 1 des Vertriebsvertrags Voraussetzung für das Entstehen eines Provisionsanspruch der Klägerin, die für sie als Untervertreterin tätig geworden sei, dass die Provision für das vermittelte Geschäft bei ihr, d.h. der Beklagten, eingegangen sei. Diese Klausel sei wirksam, weil es zulässig sei, den Zeitpunkt der Entstehung des Provisionsanspruchs frei zu regeln. Aufgrund dieser Bestimmung stünden der Klägerin ein Teil der geltend gemachten Provisionsansprüche nicht zu. Soweit die Klägerin "nachvertragliche" Provisionen begehre, stehe diesen Forderungen die Regelung in § 5 Nr. 4 des Vertriebsvertrags entgegen. Dort sei wirksam vereinbart, dass ein Provisionsanspruch des Vertriebspartners ausschließlich für Geschäfte, für die sie, die Beklagte, die Provision noch während der Laufzeit oder innerhalb des Zeitraums von drei Monaten nach Beendigung dieses Vertriebsvertrags erhalten habe, bestehe. Hinsichtlich der von der Klägerin auch geltend gemachten Bonusprovisionen verweist die Beklagte auf die Regelung des § 5 Nr. 7 des Vertriebsvertrags. Danach setze die Bonusprovision voraus, dass der Basisprovisionsumsatz für selbst vermittelte Geschäfte im Jahr 120.000,- DM übersteige und dass zum Zeitpunkt der Fällig...