Leitsatz (amtlich)
Bei einer Bauchoperation zur Blutstillung verwandte Clips müssen nicht nach Zahl und Lage genau dokumentiert werden.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 25.06.2003; Aktenzeichen 9 O 10304/00) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 25.6.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist für die Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls die Beklagten nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadenersatzansprüche wegen neurologischer Komplikationen nach einer Nebennierenoperation geltend.
Die Klägerin wurde 1993 wegen schwerer traumatischer Bauchverletzungen operiert.
Im August 1997 begab sich die Klägerin zur Entfernung eines Tumors der linken Nebenniere in das Städtische Krankenhaus B. der Beklagten zu 1). Sie unterschrieb dort am 8.8.1997 eine "Einwilligung in ärztlichen Eingriff" (Anlage K 1). Die Besprechung der geplanten Operation erstreckte sich jedenfalls auf mögliche Komplikationen wie Blutungen, Infektionen, die Verletzung beteiligter oder umgebender Strukturen und Organe, eine eventuelle Entfernung der Milz, einen Bauchwanddurchbruch und die Möglichkeit einer medikamentösen Hormonsubstitution. Die Klägerin hätte in den Eingriff auch bei ausdrücklicher, ordnungsgemäßer Aufklärung über das Risiko von Nervenverletzungen eingewilligt.
Die Operation führte am 11.8.1997 der Beklagte zu 2), Chefarzt der urologischen Abteilung, durch, wobei er als Zugang die Operationsnarbe von 1993 wählte. Er entfernte den Tumor, der sich als gutartig erwies. Bei dem Eingriff setzte er ungefähr 17 Metallclips (kleine Klammern) aus Titan, die nach dem Eingriff im Körper der Klägerin verblieben.
Bei der Klägerin traten nach der Operation neurologische Ausfallerscheinungen auf.
Die Klägerin hat vorgebracht, die Verwendung der vielen Clips stelle einen groben Behandlungsfehler dar. Offenbar habe der Beklagte zu 2) versucht, mit den wirr durcheinander gesetzten Clips eine unstillbare Blutung in den Griff zu bekommen, ohne an die Gefahr einer Nervenquetschung zu denken.
Auf eine Nervenverletzung durch die Clips seien ausgeprägte Sensibilitätsstörungen des linken Oberschenkels bis zum Knie reichend und der Hüfte sowie eine linksseitige motorische Lähmung der Bauchmuskulatur zurückzuführen.
Nach der Operation sei die Nervenläsion zu spät erkannt worden. Sie habe bereits am ersten postoperativen Tag über fürchterliche Schmerzen geklagt; dennoch sei erst am 18.8.1997 ein neurologisches Konsil erholt worden.
Bei der Risikoaufklärung sei die mögliche Schädigung von Nerven und deren Folgen nicht angesprochen worden.
Die Beklagte hat beantragt:
I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld wegen der stationären Behandlung der Klägerin in der Urologischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses München-B. der Beklagten zu 1) vom 31.7. bis 22.8.1997 zu bezahlen.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner weiter verurteilt, an die Klägerin ab 1.9.1997 eine monatliche Schmerzensgeldrente von 500 DM zu bezahlen, die rückständigen Beträge sofort, die künftigen jeweils zum Ersten eines Monats.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden aus der Behandlung vom 31.7. bis 22.8.1997 zu bezahlen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen.
Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt.
Das LG hat die Klage nach der Erholung urologischer und radiologischer Sachverständigengutachten mit Urt. v. 25.6.2003 abgewiesen. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit der Berufung weiter.
Die Klägerin bringt vor, das LG hätte die Widersprüche zwischen den eingeholten Gerichtsgutachten und den Ausführungen ihres Privatgutachters Prof. Dr. Dr. B. durch eine Anhörung abklären müssen. Die Äußerungen von Prof. Dr. Dr. B. müssten wie die eines gerichtlichen Sachverständigen gewertet werden. Da der Gerichtssachverständige Prof. Dr. D. bei seiner Anhörung durch den Senat am 1.4.2004 nicht von seiner Auffassung abgerückt sei, müsse ein Obergutachten erholt werden.
Die Gerichtsgutachter Prof. Dr. D. und Dr. W. hätten die Klägerin nicht persönlich untersucht und könnten daher weder die Lage der Clips noch ihrer Nerven beurteilen.
Unterhalb des Nebennierenlagers sei eine Blutstillung mit Clips wegen der Gefahr für die Bauchwandnerven nicht zulässig. Aus bauchchirurgischer Sicht dürften Clips nur gezielt, in geringer Anzahl und unter Sicht auf Gefäße gesetzt werden. Ohne schwerwiegende intraoperative Komplikationen sei die große Anzahl der Clips nicht zu erklären.
Die Zahl der verwendeten Clips sei zu dokume...